Sanuyes plötzliche Übernahme der Führung überraschte Naim, der wie selbstverständlich angenommen hatte, sie würden den vereinbarten Weg einschlagen, um Khaldun und Sharie nicht zu verfehlen, außerdem im Notfall in Reichweite zu sein. Aber sie hatten tatsächlich Zeit, und wenn die Weißhäutige sich freiwillig der Sonne aussetzte, sollte das ihre Sache sein. Er setzte sich neben Esme, die sich an die dicke Rinde der Korkeiche gelehnt hatte, die hier wohl schon seit vielen Generationen wie ein gekrümmter Finger dem Wind und der Sonne trotzte. Beide schwiegen eine Weile.
Schließlich seufzte Esme und meinte: "Daheim ist morgen das Ardue-Fest. Ob sie wohl schon eine neue Hohepriesterin bestimmt haben?" "Ich weiß es nicht", meinte Naim. "Und wie kommst du jetzt darauf?" Esme faßte sich ans Ohr, damit zeigend, daß er abwarten solle.
"Wie sollte ich auch wissen, wie schnell das geht? Als ich zu euch kam, war Sharies Mutter schon im Amt. Wie wird eine Ehrwürdige Mutter eingesetzt? Könnte das nicht auch beim Fest passieren?"
Sie verneinte. "Die Hohepriesterin muß das Fest eröffnen. Wenn sie weder eine neue Ehrwürdige Mutter noch den Tempel haben, lassen sie es vielleicht ausfallen. Aber dann gerät die Zeitrechnung durcheinander."
Naim lachte kurz auf: "Als ob sie keine anderen Sorgen hätten als das... Sie können doch dann auch ab dem Brand zählen, oder ab dem neuen Tempelbau, ist doch egal."
Esmes Augen blitzten verärgert, als sie entgegnete: "Egal soll das sein? Unsere Zählung geht auf den Tag zurück, an dem die Große Mutter die Welt entwöhnte! Und dir ist das egal?"
Der Waldläufer setzte eine etwas gequälte Miene auf und entgegnete sanft: "Liebling, du weißt doch, bei uns ist die Große Mutter - nicht so wichtig."
Aber der Einwand war nicht eben dazu geeignet, sie zu beruhigen. "Und wonach zählt ihr dann bitte?"
Naim stockte. "Unsere Zeit... also... als Jelgir den goldenen Elch... nein, ich meine, seine Schwester... ähm..." Er errötete.
"Erzähle du mir nichts über Zeitrechnung", fuhr Esme ihm über den Mund.
Naim schwieg.