Hume

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
mine'S^
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Mo 21. Jul 2008, 00:39 - Beitrag #1

Ein Buch von Hume lesen und darin eine sehr interessante, mir bisher unbekannte Kritik am "Universalitätsanspruch" der Kausalität gefunden haben, die sicher interessant als Grundlage zur Diskussion wäre.


Im Internet hier zu finden

Lykurg
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Mo 21. Jul 2008, 13:09 - Beitrag #2

Den Hume-Text reizvoll finden - schwer zu widerlegen, wie letztlich alle Formen skeptizistischer Argumentation.

mine'S^
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Mo 21. Jul 2008, 16:44 - Beitrag #3

Der Aspekt des grundsätzlichen Skeptizismus ist meines Erachtens aber nicht das Interessante, das ist eher trivial und altbekannt, das faszinierende liegt in der Sektion der Korrelation zwischen Ursache und Wirkung und der argumentativen Widerlegung der "induktiven Wirkungslogik".

Ipsissimus
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Di 22. Jul 2008, 09:27 - Beitrag #4

wie ich in früheren Schlachten nie müde wurde zu betonen: Kausalität ist keine physikalische Größe sondern eine philosophische Überzeugung, die in bestimmten Kulturkreisen einen Allein- und Alleserklärungsanspruch erlangt hat^^ Humes Gedanken aus der vorgestellten Passage werden im Übrigen seit geraumer Zeit durch Modellierungsverfahren auf Grundlage von Finite-Elemente-Rechnungen in Frage gestellt, mit denen die Eigenarten von noch nicht existierenden Entitäten vorherberechnet und "eingestellt" werden können. Wenn wir im Institut z.B: für eine neue Prüfaufgabe einen neuen Ultraschallprüfkopf benötigen, bauen wir mitnichten drauf los und schauen was dabei raus kommt. Wir berechnen seine anhand der Aufgabe erwünschten Eigenschaften und bauen ihn dann dementsprechend; und wir machen schon seit 20 Jahren dabei kaum noch Fehler^^

Lykurg
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Di 22. Jul 2008, 12:18 - Beitrag #5

Das sah ich auch, mine'S^, sah darin aber im Wesentlichen eine Neuausstaffierung, meinetwegen auch Neubegründung des alten Drachen^^ - letztlich nur durch Pragmatismus zu beantworten. Solange mit Erfahrungswerten gearbeitet werden kann, schön; gewisse Abweichungen davon sind einzukalkulieren; und wenn eines Tages das Kausalgefüge sichtbar einstürzen sollte - im Großen oder Kleinen - soll Hume zufrieden sein, die Möglichkeit gesehen zu haben. Ebenso besteht allerdings die Möglichkeit, daß eine solche Durchbrechung nur scheinbar ist und ihre Ursachen außerhalb der von uns beobachteten Kausalität hat... wie es im Kleinen eine alltägliche Erfahrung ist. ;)

Nein, mein Wohlgefallen am Text war vor allem sprachlicher Natur. Er schreibt ein schönes, klares Englisch, viel geordneter als manche seiner Zeitgenossen, mit denen ich mich gelegentlich herumschlagen darf.

janw
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Di 22. Jul 2008, 13:25 - Beitrag #6

Ipsi, sicher ist Kausalität auch wieder nur doxa, aber ist ein noch nicht existierender Ultraschallprüfkopf wirklich eine nicht existierende Entität, sind sich nicht alle Ultraschallprüfköpfe gleich, was ihre Funktion und Wirkungsweise betrifft, und damit ihre rechnerischen Grundlagen?^^

mine'S^
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Di 22. Jul 2008, 14:23 - Beitrag #7

Die Finite-Elemente-Methode fasziniert ja dadurch, dass sie aus unendlich, endlich und damit rechenbar (i.S.v verwertbares Ergebnis) macht. Sie stellt Humes Denkansatz damit aber imo nicht mehr in Frage als jede andere Berechnung, die auf Induktionslogik basiert, denn das tut sie ja selbst auch. Die Eigenschaften werden aufgrund von Erfahrung vermutet, dass ihr damit gute Erfahrungen gemacht habt, lässt keinen Rückschluss auf den kausalen Charakter der Eigenschaften zu, wenngleich es die Wahrscheinlchkeit dafür stetig erhöht. ^^

Padreic
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Di 22. Jul 2008, 22:53 - Beitrag #8

Kann mine'S^ nur zustimmen; die finite-Elemente-Methoden stellt Humes Beobachtungen nicht mehr in Frage als das bis auf den heutigen Tag stete Zutreffen der Vorhersage, dass am nächsten Tage die Sonne scheint.

Etwas so faszinierendes kann ich an der finite-Elemente-Methode nicht finden. Dass man ein unendliches analytisches Problem durch endlich viele Daten und Rechnungen zwar nicht exakt berechnen, aber doch beliebig gut approximieren kann, ist letztlich nicht sehr überraschend...es ist halt immer nur die Frage, wie schnell und effizient man die Berechnungen hinbekommt, wofür es ja einen eigenen Zweig der Mathematik gibt: die Numerik. [auch wenn so mancher reiner Mathematiker die Numerik gerne aus der Mathematik ausschließen würde ;)]

Humes Überlegungen selbst sind sicher sehr viel faszinierender. Insbesondere wenn man hinzufügt, was Kant zum selben Thema geschrieben hat. Obgleich es bei Hume auch manche Punkte gibt, die ich als etwas strange in Erinnerung hat: z. B. dass er mehr oder minder a priori sagt, dass man nicht an Wunder glauben soll.

Ipsissimus
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Mi 23. Jul 2008, 11:29 - Beitrag #9

die Finite-Elemente-Methode macht nicht endlich aus unendlich^^ sie liefert lediglich handhabbare Näherungslösungen nahezu beliebiger Genauigkeit in Fällen, die zwar durch eine analytische Funktion definierbar sind, deren Lösung(en) aber nicht analytisch dargestellt werden können^^ darüber hinaus sprach ich von der Kombination von Finite-Elemente-Rechnungen mit Modellierungsverfahren, und dieses Doppelgespann - nicht jeder Gespannpartner schon allein für sich - zielt auf einen zentralen Aspekt von Humes Gedanken: dass die Eigenarten unbekannter "Dinge" - die ich etwa hochtrabend als "Entitäten" bezeichne - nur durch die konkrete Erfahrung mit dem konkreten Ding ermittelt werden können, nicht aber durch rein verstandesmäßige Tätigkeit. Unsere Modellierungsverfahren etwa sind absolut in der Lage, z.B. die Eigenschaften der Schallausbreitung in Materialien unbekannter Textur vorauszusagen, worauf unsere Techniker dann entsprechend angepasste Ultraschallwandler bauen, das spart eine Menge Entwicklungskosten^^ da fließt natürlich jede Menge Expertenwissen mit hinein, welches in seiner Gesamtheit mitsamt dem physikalischen Hintergrundwissen einen Rahmen absteckt, innerhalb dessen der Trick nur funktioniert.

Ich denke, Humes Wunder-Verdikt will nur verhindern, dass wir ein Wunder postulieren, wo schon ein etwas genaueres Hinschauen in bislang allen Fällen den naturwissenschaftlich zugänglichen Charakter der Phänomene ersichtlich machen konnte^^

mine'S^
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Mi 23. Jul 2008, 12:42 - Beitrag #10

ICh wollte die FEM nicht abwerten indem ich sie vereinfacht entstelle^^ Hume sagt nicht, dass es nicht möglich sei bereits beobachtete kausale Zusammenhänge auf die Zukunft zu projezieren, das ist es was Modellierungsverfahren zu Grunde liegt, er sagt, dass diese Projektion nicht richtig sein muss, so lange man nicht jeden minimalsten Aspekt dieser Kausalität bis auf den kleinsten nicht mehr reduzier/abstrahierbaren Bestandteil verstanden hat. Modellierungsverfahren kombinieren bereits beobachtete Attribute in neuer form, nichts anderes als hätte ich seit je her rundes Brot und backe jetzt aus den gleichen Zutaten ein eckiges. Die Annahme, dass es mich ernähren und schmecken wird ist gerechtfertigt, aber nicht gesichert. Wäre mir Brot als Gesamtheit der Einzelteile sowie die Eigenschaften aller einzelnen Teile unbekannt, könnte ich mit keiner Methode die Eigenschaften des Ergebnis prognostizieren. Ich bin kein Mathematiker, von daher vor alles ein imo denken.^^


Padreic,

Humes Kritik an Wunder bezieht sich auf seine konkrete Definition eines Wunders " A miracle is a violation of the laws of nature; and as a firm and unalterable experience has established these laws, the proof against a miracle, from the very nature of the fact, is as entire as any argument from experience can possibly be imagined." Aus seinen zahlreichen Beispielen ist auch ersichtlich, dass seine Abneigung gegen und Warnung vor Wundern sich auf die Leichtgläubigkeit des Menschen beziehen, nicht auf die Unmöglichkeit von Wundern selbst, da ja die Gesetze nicht 100% ig verstanden werden.

Ipsissimus
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Do 24. Jul 2008, 14:44 - Beitrag #11

... da ja die Gesetze nicht 100% ig verstanden werden


aus meiner Sicht bleibt da, wenn überhaupt, nur noch ein sehr geringer Spielraum für Wunder, da es nicht unbedingt notwendig ist, die Gesetze hundertprozentig zu verstehen, um zu sehen, dass der Rahmen, in dem diese Gesetzmäßigkeiten formuliert sind, Wunder faktisch ausschließt.

Natürlich gilt immer noch das Statement von Arthur C. Clarke, dass die technologischen Möglichkeiten jeder genügend weit entwickelten Zivilisation vor dem Hintergrund unseres derzeitigen Standes der Erkenntnis uns wie Magie oder Wunder vorkommen müssten, aber lassen wir dies außen vor - und selbst wenn nicht: es ist eben Technologie, die wir noch nicht verstehen, keine Magie, kein Wunder -, bleibt immer noch die Einsicht, dass es auf dem bisherigen Weg unserer neuzeitlichen Wissenschaft ohne einen massiven Paradigmenwechsel auf breiter Ebene keinen Weg zurück zu einem Kosmos der aus dem Transzendenten ins Immanente einbrechenden Wunder gibt. Wir wissen, dass wir noch nicht alles wissen, aber nichts gibt uns Anlass zu der Vermutung, dass in jenem Raum unseres Noch-nicht-Wissens das Refugium für echte Wunder unserer Aufmerksamkeit entgangen sei oder sich gar unseren Blicken entziehe.

Jeder auch nur einigermaßen aufgeklärte Mensch unserer Zeit wird nach der Konfrontation mit einem "Wunder" nach dem ersten Schrecken an "Technologie, die ich noch nicht verstehe oder durchschaue" denken, und wo dies nicht geschieht, ist entweder der Schreck noch nicht ausgestanden oder es ist mit der Aufgeklärtheit nicht gar so weit her.

... er sagt, dass diese Projektion nicht richtig sein muss, so lange man nicht jeden minimalsten Aspekt dieser Kausalität bis auf den kleinsten nicht mehr reduzier/abstrahierbaren Bestandteil verstanden hat.


Humes Weltbild war noch weitgehend mechanistisch; vom selbstverständlichen Umgang mit Wahrscheinlichkeiten - wo die Dinge, egal welche Dinge, auch die alltäglichsten, eben immer nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit so und so sind, nie mit Sicherheit - war er noch weit entfernt. Insofern hat er seine Gedanken auch nur für den Hintergrund eines mechanistischen Universums ohne Quantenrauschen formuliert, das wie ein kompliziertes Uhrwerk vorgestellt werden kann, mithin für eine Realität, die der faktischen Realität nicht entspricht. Ihre Tauglichkeit für die Erfassung der faktischen Realität ist damit bestenfalls fraglich, schlimmstenfalls sind sie irrelevant.

mine'S^
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Fr 25. Jul 2008, 01:34 - Beitrag #12

Was die nachträgliche Erklärung von Wundern betrifft stimme ich dir zu.
Wunder sind ja nach meiner Definition eben gerade Ereignisse, die NICHT konform zu den Naturgesetzen ablaufen. Die faktische Unmöglichkeit von Wundern setzt ein finites Entwicklungsstadium des Wissens und damit des Universums voraus, woran ich zweifle. Die etwaige Existenz tatsächlicher Wunder ist damit ein Geheimnis der Unendlichkeit.

Ihre Tauglichkeit für die Erfassung der faktischen Realität ist damit bestenfalls fraglich, schlimmstenfalls sind sie irrelevant.


Was sie gar nicht mal so sehr von der Quantenphysik unterscheidet^^ Abgesehen davon ist der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten durchaus in Humes Gedankengänge zu interpretieren, wenn er beispielsweise kritisiert, dass aus der Betrachtung eines Moments nur eine Menge möglicher Kausalitäten interpretiert werden kann und nur eine Menge möglicher Folgen prognostiziert werden kann. Da ist es ein kleiner Schritt zur vermeintlich exakten Bestimmung der Wahrscheinlichkeit, mit welcher welches Element der Menge zutrifft.

Ipsissimus
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Fr 25. Jul 2008, 10:51 - Beitrag #13

na gut^^ ich akzeptiere für´s erste, dass Humes Gedanken eine Art Näherungslösung formulieren, vergleichbar mit Newtons Gravitationsgesetz, welches zwar auch nur eine Näherungslösung ist, aber trotzdem im Rahmen alltäglicher Anwendungen ein praktikables Werkzeug in die Hand gibt. Nur dass das Universum doch ein bisschen mehr ist, als unsere alltägliche Lebenswelt, und auch das Interesse von Menschen mag über die Alltäglichkeit hinausgreifen, hin zu "Wissen möcht´ ich, was die Welt im Innersten zusammenhält"^^ zur Erfassung der faktischen Realität ist die Einbeziehung der Quantenphysik übrigens unerlässlich, ansonsten wir immer nur den schönen Schein beschreiben^^

Die faktische Unmöglichkeit von Wundern setzt ein finites Entwicklungsstadium des Wissens und damit des Universums voraus


verstehe ich den Satz richtig, wenn ich ihn so auffasse, dass du meinst, der Beweis der Behauptung der faktischen Unmöglichkeit von Wundern könnte nur auf Grundlage eines abgeschlossenen, weil vollständigen Wissens um die Gesamtheit aller naturwissenschaftliche Zusammenhänge erfolgen?

Zum einen denke ich dazu, dass in diesem Falle dem "Prinzip Hoffnung" ein imo unangemessen hoher Raum zugestanden wird. Buchstäblich nichts, was je in der Geschichte der Menschheit verifiziert werden konnte, hat sich jemals als Wunder erwiesen; und etwas, das nicht im Einklang mit den Naturgesetzen passiert, passiert wo auch immer, vielleicht in der Metaphorik und in der Phantasie, aber nicht in unserem Universum ("sich nicht im Einklang mit den Naturgesetzen befinden" ist ein Synomym zu "nicht passieren, nicht existieren"^^).

Zum anderen glaube ich, dass sich in der Auffassung, Wunder könnten nicht endgültig als unmöglich bewiesen werden, eine Hoffnung artikuliert, die aus dem prinzipiell vorläufigen Charakter menschlichen Wissens ein bisschen voreilig den Schluss zieht, dass in dem verbliebenen Raum des Nichtgewußten, Platz für Wunder bleibe, Wunder nicht nur in metaphorischem Sinne, sondern als echte Einbrüche echter Transzendenz in die Immanenz. Ich halte das aus folgender Überlegung heraus für voreilig: jedes Wunder provoziert bei jedem nichtreligiös operierendem und überhaupt an der Sache interessierten Menschen unmittelbar die Frage: "Wie ist das möglich?"

Auf diese Frage finden wir entweder eine Antwort, die im Einklang mit Naturgesetzen steht, Wunder somit erledigt.

Oder aber wir akzeptieren "Wunder" als vorläufige Antwort. Ergibt sich wieder die Frage "Wie ist das möglich?" Ein religiöser Mensch wird antworten: "Aufgrund der Macht Gottes" (oder des wie auch immer vorgestellten eingreifenden transzendenten Wesens). Während der religiöse Mensch sich mit dieser Antwort zufrieden gibt, wird der nichtreligiöse Mensch weiterfragen: "Okay, also Gott. Wie kommt es, dass Gott dazu in der Lage ist? Wie macht er das technisch?" An dieser Stelle hat der religiöse Mensch nur noch die Tautologie auf seiner Seite. "Weil er eben Gott ist und Gott kann das einfach" markiert zwar das Ende des Fragens des religiösen Menschen, gibt aber dem nichtreligiösen Menschen trotzdem keine Antwort.

"Wie macht Gott (die Zahnfee, das Heinzelmännchen, das rosarote Einhorn, das fliegende Spaggettimonster etc.) das?" führt uns in eine unendliche Rekursion, bei der die Macht jeder Systemebene nur durch die Macht der nächst höheren Systemebene begründet werden kann. Die "Unendlichkeit" der Rekursion beinhaltet dabei durchaus kein Geheimnis, sie führt lediglich die Antwort, die von der ersten (physikalische Natur) zur zweiten (Gott) Systemebene führt, ad absurdum, weil wir auf jeder Ebene immer wieder fragen können "und wie macht der Gott dieser Ebene das technisch?" Die völlige Gegenstandslosigkeit der Antwort "Wunder" ist damit eigentlich offensichtlich; ich gestehe, dass ein religiöser Mensch davon kaum beeindruckt sein wird, aber es darf natürlich jedermensch im Mittelalter verweilen, der sich im Mittelalter wohlfühlt^^

janw
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Fr 25. Jul 2008, 11:45 - Beitrag #14

Gut, Ipsi, aber was wäre, wenn etwas passieren würde, das sich trotz allem drehen und wenden als nicht kompatibel mit den Naturgesetzen erweist, unerklärbar ist? Muss der Aufgeklärte nicht der Möglichkeit ins Auge sehen, an einem Punkt doch mit der unendlichen Rekursion zu stranden?

Ipsissimus
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Fr 25. Jul 2008, 15:45 - Beitrag #15

nun, wir trinken dann in einem Pavillon in einem wunderschönen Park sitzend einen Tee, am besten einen zarten, bittersüßen japanischen Gyokuro, in Vollendung von einem Teemeister zubereitet, und schauen bei einem warmen Sommerregen, der wunderlichen Torheit der Welt gedenkend, entspannt und gelassen dem Wunder in seiner Entfaltung zu^^

solange das Wunder nicht eintritt machen wir das gleiche ohne Wunder, vielleicht dem Wasser im Kessel beim Kochen unsere Aufmerksamkeit schenkend^^

Oder wie es in einem von mir sehr geliebten Science Fiction Roman einmal formuliert wurde: Den Falken lasse ich fliegen, wenn er erwachsen ist^^

Milena
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Fr 25. Jul 2008, 16:37 - Beitrag #16

...und wenn mensch noch den mund aufbekommt und einer verbalen sprache mächtig ist, dann ist es ein wunder allemal....^^

(nur soviel zum thema wunder...^^)Bild

mine'S^
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Fr 25. Jul 2008, 17:02 - Beitrag #17

Ich bin bestenfalls ein Laie auf dem Gebiet der Quantenphysik, da mich die Thematik zwar sehr fasziniert und ich mich daher schon damit beschäftigt habe, es mir aber größtenteils an der Intelligenz fehlt, tieferes Verständnis dafür zu entwickeln; daher bezog sich meine Äußerung ausschließlich auf den großen Teil unbeobachteter Phänomene, bzw. den großen Teil angewandter Induktion bei der Beobachtung, ich hätte auch schwarze Löcher nennen können um meine Ansicht zu verdeutlichen.^^

Was die Unmöglichkeit von Wundern angeht, finde ich deine Aussagen ebenso interessant, wie schön extrapoliert und formuliert. Ich stimme dir zu, dass es keine verifizierten Wunder gibt, was letztlich a priori in einem dynamischen infiniten System so sein MUSS, meiner Ansicht nach trotzdem nicht die Möglichkeit von Wundern negiert, als schwaches aber amüsantes Argument führe ich hier die Gödel'schen Sätze an^^

Ein tatsächliches Wunder ist imho durchaus denkbar, wenn man unterstellt, dass es zwar relative Naturgesetze gibt, aber keine Absoluten. Die Gültigkeit der Hauptsätze der Thermodynamik erstreckt sich nicht auf alle Bereiche der denkbaren Phänomene, Raumzeitsingularität (Entstehung des Universums), sL et cetera, es ist nicht auszuschließen, das es gewisse Ereignisse gibt, die nicht in Einklang mit relativen Naturgesetzen zu bringen sind, unabhängig vom Wissen über diese Gesetze. Wobei mich die Frage nach dem wie, respektive die unendliche Rekursion der Antwort, die du ansprichst, da etwas ins Schlingern bringt, da ja die unbefriedigende - da systemexterne und somit infinit rekursive - Antwort, zwar fehlendes Verständnis impliziert, also die Unmöglichkeit der Erkenntnis eines Wunders, aber nicht die Nicht-Existenz. Ausgenommen hiervon wäre natürlich -mit der Einschränkung der Wahrnehmung - die Beobachtung eines Wunders, also gewissermaßen die Unterscheidung zwischen der abstraktn Denkbarkeit eines Wunders und der Beobachtung desselben. Ich hoffe was ich meine ist etwas klarer als meine leicht konfusen Äußerungen auf mich wirken.^^

Ipsissimus
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Fr 25. Jul 2008, 17:21 - Beitrag #18

jetzt nur kurz, später ausführlicher: wenn es nur relative und keine absoluten Naturgesetze gibt, dann gibt es auch nur relative Wunder^^

janw
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Fr 25. Jul 2008, 23:40 - Beitrag #19

Zitat von Ipsissimus:Jeder auch nur einigermaßen aufgeklärte Mensch unserer Zeit wird nach der Konfrontation mit einem "Wunder" nach dem ersten Schrecken an "Technologie, die ich noch nicht verstehe oder durchschaue" denken, und wo dies nicht geschieht, ist entweder der Schreck noch nicht ausgestanden oder es ist mit der Aufgeklärtheit nicht gar so weit her.

Aber ist die Übernahme des Weltbildes der Aufklärung nicht im Grunde nur eine Zurichtung des Geistes von vielen möglichen, auf dieser Ebene gleichrangig wie z.B. ein religiöses Weltbild - nur eben mit den heutzutage als vorteilhaft erachteten Eigenschaften der hohen Verlässlichkeit von Aussagen und Erwartungen und der sparsamen Erklärungsansätze? Und ist der Wahrheitsanspruch des aufgeklärten Weltbildes nicht insofern relativ, als Wunder, unmögliche Ereignisse also, seltene Ereignisse sind - ungeachtet ihrer tatsächlichen Überstrapazierung im öffentlichen Sprachgebrauch - und sich damit einer breiten Beobachtung entziehen?
Andererseits stellt sich mir die Frage nach der Natur der Naturgesetze - sind sie emergente Eigenschaften der Materie mit absoluter Gültigkeit oder so etwas wie "Usancen" der Materie mit hohem Einhaltungsgrad? Bleibt mir der Apfel womoglich nur deshalb nicht in der Hand hängen, weil das zu unwahrscheinlich ist, um sich innerhalb des aktuellen Überlieferungsraumes der Menschheit zu ereignen?
Mir scheint, als wäre dieser kontingenzbasierte Ansatz die schärfste Axt an der Wurzel des Wunderglaubens...

Ipsissimus
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So 27. Jul 2008, 02:29 - Beitrag #20

der Weg der menschlichen Psyche aus dem Mittelalter in die Moderne war der einer Abkehr von absoluten Gewissheiten hin zu Wahrscheinlichkeiten. Für den mittelalterlichen Menschen gab es Prämissen, die sakrosankt gesetzt worden, es gab Barbara, Celarent, Darii und Ferio, die vier korrekten syllogistischen Modi, und aufgrund deren korrekter Anwendung auf die Prämissen glaubte der mittelalterliche und antike Mensch, aus den Prämissen verlässliches Wissen abgeleitet zu haben. Und das glauben viele Menschen in genau der alten Naivität auch heute noch, sind also nie in der Neuzeit angekommen, in der Neuzeit, in der weder die Prämissen sakrosankt, noch die vier Modi unangetastet geblieben sind.

Das aber nur, zum wievielten Male weiß ich schon gar nicht mehr, am Rande^^ das Mittelalter kehrt doch immer wieder zurück^^

mineS, schildere mir doch bitte mal ein Wunder. Was wärest du bereit als Wunder anzuerkennen? Wo würdest du aufhören zu fragen und in Anbetung oder Gläubigkeit übergehen?

Du kennst vielleicht "Abyss", den Roman (und Film nach dem Roman) von Orson Scott Card, absolut lesens- und sehenswert übrigens? Also, da passiert am Ende folgendes: eine Wasserwand erhebt sich an den Küsten der Kontinente. An ALLEN Kontinenten und großen Inseln, rund um die GESAMTE Küstenlinie aller Landflächen der Erde. Eine Wasserwand von einem Kilometer Höhe. Sie rollt auf die Küsten zu, erreicht die Strände und bricht. Und im Augenblick des Brechens steht sie still.

Da hängt also eine ein Kilometer hohe Wasserwand über dir, zum Zusammenbrechen bereit und bleibt genau in dieser Position, etwa 10 Minuten lang. Und dann zieht sie sich zurück. Einfach so. 2 Minuten später ist nichts mehr zu sehen.

Ein Wunder^^

Egal was es im Buch ist - lies selbst^^ - wäre das eines Wunders würdig? Würdest du, so dies in Realität passierte, an ein Wunder denken? Oder suchst du Wunder im kleinen, die spontane Krebsheilung im finalen Stadium, der ohne Verletzungen überlebte freifallende Sturz aus dem 150sten Stockwerk? Was akzeptierst du als Wunder?

Ich kann mir metaphorishce Wunder vorstellen. Die spontane Krebsheilung wäre so ein metaphorischen Wunder für mich. Doch erfüllt von tiefster Dankbarkeit wäre ich trotzdem außerstande, in irgendeiner Weise zu sehen, dass irgendetwas passiert wäre, das nicht mit den Naturgesetzen in Einklang stünde. Wenn die Erde durch die Sonne fliegen würde, und auf der anderen Seite des weißen Lochs unversehrt im Andromedanebel wieder rauskäme, wo sie eine neue Heimat fände, die die Umstände auf der Erde für uns genauso lebenserlaubend beließe wie in der alten Umlaufbahn, so würde ich immer noch außerstande sein, ein nichtmetaphorisches Wunder zu sehen. Es wäre für mich sogar absolut stringend, keine transzendente Macht, sondern eine höchst reale, immanente Macht zu vermuten, und das Wunder passierte nicht aufgrund der Macht Gottes, sondern aufgrund der Macht überlegener Technik.

Der metaphysische Rahmen der Dinge hat sich geändert,und deswegen denken die im heute Angekommenen nicht mehr "ein Wunder, ein Wunder", sondern "hmm, was war das denn?". Nachdenklichkeit und genaues Hinschauen hat Gläubigkeit ersetzt, jedenfalls bei denen, bei denen dies nicht an psychologische Grenzen rührt.

Aber ich lasse mich gerne überzeugen. Nenn mir irgendetwas, das als nichtmetaphorisches, echtes Wunder standhält, und nenn mir gleich noch das Nachweisverfahren, mit dem der Wundercharakter verifiziert wird^^

Jedes hinreichend mächtige formale System ist entweder widersprüchlich oder unvollständig^^ wäre das Universum mittelalterlich-mechanistisch-abgeschlossen, würden Gödels Sätze u.U. darin Wunder ermöglichen^^ wenn Wunder aber in einem gequantelten, offenen, finiter Simulation zugänglichen Universum passieren, sind sie nur der Summation von Wahrscheinlichkeiten zu verdanken. Es ist möglich, dass ich mit der Hand winke, und alle Sonnen des Universums erlöschen. Wenn ich lange genug lebe, wird das ungefähr einmal in 10^10000000 Jahren passieren, und es ist kein Wunder und keine Macht, sondern Wahrscheinlichkeit^^ das ist im übrigen auch die Antwort auf deinen hängenbleibenden Apfel, Jan, nur dass sich da der Zeitraum auf vielleicht 10^1000000 Jahre verkürzt, in denen das einmal passiert^^


Jan, lies doch mal den Roman "Blutmusik" von Greg Bear^^

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