Zwei Leitfragen, von denen meinetwegen auch abgewichen werden darf:
1) Was ist Bewusstsein und welcher "Seinsstufe" ist es zuzuordnen?
2) Wäre eine dualistische Sicht noch naturalistisch? Wie?
-P- 'Bewusstsein' ist ein Begriff, über den die Naturwissenschaft noch nicht einmal sinnvoll sprechen kann. Z. B. sollte es für Naturwissenschaft wichtig sein, dass mehr als eine Person prinzipiell auf den Forschungsgegensatnd zugreifen kann. Ein anderes verwandtes Problem ist das des Beobachters. Die Naturwissenschaftler sprechen mitunter ganz gern davon, aber in dem Moment verlässt sie eigentlich schon die Naturwissenschaft, da man Beobachten und damit den Beobachter als Beobachter nicht beobachten kann und prinzipiell nicht Beobachtbares nicht in den Bereich der Naturwissenschaft fällt.
-E- [Es] lässt sich gerade anhand von "Bewusstsein" natürlich sehr gut die Verschiedenartigkeit der Herangehensweisen aufzeigen.
Bewusstsein entsteht mit dem Gehirn und stirbt mit dem Gehirn. Bewusstsein lässt sich sichtbar machen - im Gehirn. Wir wissen nicht, wie Gehirn und Bewusstsein zusammen hängen, vielleicht werden wir es nie verstehen, aber man kann entweder als Naturalist davon ausgehen, dass Bewusstsein prinzipiell durch Materie und deren Gesetze bestimmt ist - oder man kann davon ausgehen, dass irgendetwas von der Materie unabhängiges, ideelles das Bewusstsein bildet, das auf geheimnisvolle Weise mit dem Gehirn interagiert und zufällig genau gleichzeitig alles doppelt macht (oder, um nicht zu karikieren: dass erst das Zusammenspiel zwischen Übernatürlichem Geistbewusstsein und natürlichen Gehirnprozessen das formt, was das Individuum als Bewusstsein wahrnimmt).
Welche Erklärung ist sparsamer? Wissenschaftlicher?
-P- Bewusstsein ist erstmal real. 'Bewusstsein' ist offenbar nicht synonym zu irgendeinem physikalischem Begriff. Ein reiner Naturalist (ich weiß nicht genau, ob das eine Karikatur ist) müsste behaupten, dass 'Bewusstsein' auf dasselbe referiert wie ein physikalischer Begriff, da man alles natürliche prinzipiell physikalisch bennenen können muss. Das halte ich persönlich für irgendwas zwischen unwahrscheinlich und totalem Blödsinn. Etwas anderes ist das, was du gesagt hast: es gibt etwas außerhalb der physikalisch beschreibbaren Natur, aber dieses ist (vollkommen) abhängig von der Natur. Aber das dürfte schon kein reiner Naturalismus mehr sein.
Ich persönlich habe Probleme mit deiner Dichotomie, da sie den Begriff der Materie unhinterfragt verwendet. Quine sagte einmal, dass physikalische Objekte Mythen von der selben Art wie die homerischen Götter sind, nur dass erstere auf wissenschaftlichere Art zustande gekommen sind. Für die Naturwissenschaft, wie ich sie sehe, ist es erstmal irrelevant, ob diese Mythen real sind, so lange sie dazu taugen, eine mögliche simple und akurate Erklärung und Vorhersage von Ereignissen erlauben.
Von allen physikalischen Beobachtungen her wäre es natürlich naheliegend, diese Mythen wirklich als real anzunehmen. Allerdings gibt es noch keine Theorie, die die Realität von all den physikalischen Objekten und von Bewusstsein in befriedigender Weise erklärt. Das deutet zumindest darauf hin, dass man den Materiebegriff nicht dogmatisch anlegen sollte, sondern bereit sein sollte, flexibel damit umzugehen. Ich denke, es macht in vielen philosophischen Fragen das Leben ein wenig angenehmer, wenn man a la Kant die physikalische Welt nicht als die Dinge an sich nimmt, sondern sich ihre Modellhaftigkeit bewusst macht. Das trifft sowohl in der Kausalitätsfrage zu wie auch eben hier in der strengen Scheidung zwischen Materie und nicht-Materie.
-E- Ich glaube, ich habe aber nicht ganz verstanden, was die an der Idee gefällt oder plausibel vorkommt, dass Bewusstsein nur auftaucht, wenn Gehirnaktivität da ist, dieses Bewusstsein aber etwas sein soll, das sich nicht allein auf diese Gehirnaktivität zurückführen lässt. Vielleicht machen wirs eine Stufe weniger komplex als Bewusstsein und nehmen eine andere Empfindung, vielleicht Schmerzempfinden?
-T- Das detaillierte Eingehen auf die Leib-Seele-Problematik sprengt hier wie so oft etwas den Rahmen. Ich möchte dazu nur sagen, dass ich genau die Position, die Padreic als "irgendwas zwischen unwahrscheinlich und totalem Blödsinn" betrachtet, vertrete und nichts gegen eine Ausführung dieser strengen Ablehnung in einem entsprechenden Thread einzuwenden hätte.