in dem von mir in der Wissenschaftssektion unter der Threadüberschrift "Parasit ohne Gnade" verlinkten Interview mit Prof. Dr.med. Heiner Schirmer geht es ganz allgemein um die Malaria, die auch heute noch die Krankheit mit den höchsten Todeszahlen weltweit ist. Schirmer gibt einen wundervollen Überblick über diese Krankheit in Geschichte und Gegenwart und kommt natürlich auch auf das Thema Gegenmaßnahmen zu sprechen.
Sein diesbezügliches Resümee ist knapp und ernüchternd: der Erreger selbst ist so gut wie unangreifbar; seine ungeheuere Mutationsrate bewirkt, dass die Erreger nach einem Monat praktisch nichts mehr mit den vormaligen Erregern zu tun haben. Die Anopheles und andere Mücken wären mit bestimmten Insektiziden angreifbar, leider nicht von denen mit dem grünen Punkt, so dass die notwendige Dosierung und Flächendeckung einer nachhaltigen Vergiftung des Bodens gleichkommt, ganz zu schweigen davon, dass die Hauptverbreitungsländer der Malaria so arm sind, dass die gängigen Preise der Insektizide nicht bezahlt werden können; großherzige Spender stehen offenbar auch nicht Spalier. Also keine Chance.
Eine realistische Möglichkeit sieht Schirmer in Form sogenannter "altruistischer Impfungen". Allerdings sind solche Impfungen weltweit geächtet, zumindest in fast allen Ländern verboten. Darüber möchte ich diskutieren.
Das Wesentliche einer altruistischen Impfung besteht darin, dass die Impfung den Geimpften selbst nichts nützt, sie u.U. sogar schädigt, beides zusammen plausibel als Grund für ihr Verbot. Allerdings bedeutet das nicht, dass eine solche Impfung in jedem Kontext nutzlos wäre.
Im Falle der Malaria könnte z.B. folgendes Szenario greifen: es gibt Impfstoffe, die das menschliche Blut so verändern, dass die saugende Anopheles durch das aufgesaugte Blut getötet wird, so schnell getötet wird, dass es zu keinen weiteren Eiablagen kommt. Ein Schutz für den Gestochenen besteht nicht - wenn der Stich infektiös war, hat er die Krankheit. Wenn aber in einem Malariagebiet ALLE Menschen mit diesem Impfstoff geimpft wären, würden ALLE zustechenden Anopheles so schnell getötet, dass der Fortpflanzungszyklus verlangsamt und in dem Gebiet im Laufe vieler Jahre schließlich zum Erliegen gebracht würde. Keine Anopheles, keine Malaria - zukünftig. Für die noch Gestochenen allerdings das gleiche Schicksal wie immer. Die Geimpften bieten sich damit praktisch als Opfer zum Nutzen späterer Generationen dar.
Wie seht ihr das?
Seht ihr in der grundsätzlichen Problematik der altruistischen Impfungen Grund genug, aus ethisch-moralischen Gründen darauf zu verzichten, wie es derzeit Konsens ist?
Seht ihr Möglichkeiten und Chancen, die zumindest bei extremen Fällen eine Auflockerung des starren Verbots wünschenswert erscheinen lassen?
Oder findet ihr es skandalös, dass nicht schon längst alle Menschen in Malariagebieten geimpft sind?
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Bonusfrage: Oder ist es gar so, dass es gar nicht wünschenswert ist, die Malaria auszurotten^^ Schirmer spricht darüber mit einem Augenzwinkern, aber er meint es ernst und es ist auch plausibel: Malaria unterstützt Friedfertigkeit. Das kommt zustande, weil Menschen, die lange in einem Gebiet bleiben, Jahrzehnte und über Generationen hinweg, eine gewisse Immunität gegen den Erreger entwickeln. Diese Immunität ist allerdings nur lokal, begrenzt auf ein Gebiet von vielleicht 20 km Durchmesser. Wenn Menschen auf Eroberungsfeldzug nun dieses Heimatgebiet verlassen, werden sie anfällig gegen den Erreger in den neuen Gebieten^^ Schirmer vermutet, dass der "Schutz der Ahnen", der in vielen Ahnenkulten eine Rolle spielt, auf dieses Phänomen zurückgeht.
Ich lege euch auch noch mal das Interview ans Herz, ich habe selten so etwas Luzides gesehen^.