Gott, das Gute und das Böse

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
janw
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Fr 29. Mär 2013, 18:51 - Beitrag #1

Abgetrennt aus Der Sinn des Lebens (Zitat von Padreic: 20.01.2013) - Traitor

Zitat von Padreic:Es ist nicht gut, weil Gott es so will, sondern Gott will es so, weil es gut ist.

Ich vermute, daß es das nicht ganz genau trifft - in dem Maße, daß bzw. wie Gott sich selbst ist, vielleicht Omega-Punkt, bezweckt er nichts, sondern ist der Zweck selbst; das Maß des Guten wäre danach das Maß, wie etwas zu Gott hinführt oder nicht von ihm wegführt.

Das für mich Merkwürdige ist, daß dies über die ganze Zeit der Evolution nie Thema gewesen ist, bis plötzlich dieses komische Wesen entstand, das "Gut" und "Böse" erfand.
Gottes Werk und Teufels Beitrag?^^

Ipsissimus
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Sa 30. Mär 2013, 19:27 - Beitrag #2

Was ist ein "Gott"? Und von welchem Gott sprecht ihr?

janw
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So 31. Mär 2013, 15:32 - Beitrag #3

Ich vermute, daß Padreic von einer christlich verstandenen Gottesvorstellung ausgeht - bzw. damals ausgegangen ist.
Ich schalte in den "Glaubensmodus", in dem eine Schöpferinstanz, die Gott genannt wird, als mindestens Verursacher, vielleicht auch Erhalter des Universums und der Schöpfung gedacht wird.
In dem Sinne, daß diese Instanz hinreichend "autonom" sein muss, muss er in meinen Augen als wertfrei gedacht werden, er ist oder handelt nicht gut oder böse, sondern die Schöpfung verhält sich im Rahmen der Erhaltung oder der Nicht-Erhaltung, zu ihm hin oder von ihm weg.

Ipsissimus
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So 31. Mär 2013, 16:48 - Beitrag #4

wenn dieser "Gott", wie immer er sonst gedacht wird, als real existent gedacht wird, als real existent gehandhabt wird, stellt sich m.E. die Frage, warum er dann nicht auch einer Bewertung seines Tuns unterliegen soll, zumindest soweit ein solches Tun feststellbar ist. Wenn kein Tun feststellbar ist, braucht es natürlich nicht bewertet zu werden, andererseits bleiben dann alle Zuweisungen an "ihn" und sein Tun gegenstandslos. Und wenn sein Tun feststellbar ist, warum sollte ich dann darauf verzichten, mich dazu zu positionieren, das heißt, dieses Tun zu bewerten?

Was meinst du damit, dass die Schöpfung sich "zu ihm hin" oder gegenteilig "verhält"? Warum sollte sie so etwas tun, bzw. woran erkennst du das? Ist "die Schöpfung" nicht hinreichend autonom, um sich "zu sich selbst hin" zu "verhalten"?

janw
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So 31. Mär 2013, 21:03 - Beitrag #5

Zitat von Ipsissimus:wenn dieser "Gott", wie immer er sonst gedacht wird, als real existent gedacht wird, als real existent gehandhabt wird, stellt sich m.E. die Frage, warum er dann nicht auch einer Bewertung seines Tuns unterliegen soll, zumindest soweit ein solches Tun feststellbar ist. Wenn kein Tun feststellbar ist, braucht es natürlich nicht bewertet zu werden, andererseits bleiben dann alle Zuweisungen an "ihn" und sein Tun gegenstandslos. Und wenn sein Tun feststellbar ist, warum sollte ich dann darauf verzichten, mich dazu zu positionieren, das heißt, dieses Tun zu bewerten?

Nun, Du kannst ihn und sein (Nicht)Tun natürlich bewerten, aber es ist vergeblich, so vergeblich, wie auf die Hauptsätze zu schimpfen oder die Schwerkraft.

Was meinst du damit, dass die Schöpfung sich "zu ihm hin" oder gegenteilig "verhält"? Warum sollte sie so etwas tun, bzw. woran erkennst du das? Ist "die Schöpfung" nicht hinreichend autonom, um sich "zu sich selbst hin" zu "verhalten"?

Mir ging es um die Gut/Böse-Problematik - ist Gott böse, weil er ultimativ böses Verhalten von Menschen als Teil seiner Schöpfung duldet?
Man könnte mutmaßen, daß sein Nichteingreifen seine Form des Eingreifens in dem Moment gewesen ist - das liefe aber darauf hinaus, daß Verhalten seiner Schöpfung ihn zu irgendeiner Form von Handeln veranlassen, "nötigen" würde.
Damit würde er aber zum Subjekt seiner Schöpfung und selbst den Ursache-Wirkungsbeziehungen unterworfen, denen die Schöpfung unterliegt.

Ipsissimus
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So 31. Mär 2013, 21:53 - Beitrag #6

Du kannst ihn und sein (Nicht)Tun natürlich bewerten, aber es ist vergeblich, so vergeblich, wie auf die Hauptsätze zu schimpfen oder die Schwerkraft.
Wenn sein Tun wahrnehmbar wäre, so wäre dies ein massives Indiz, wenn nicht gar ein Beweis seiner Existenz (falls dieses Tun nicht anders erklärbar wäre). In diesem Falle bestünde natürlich eine Machthierarchie, aber ich würde ebensowenig darauf verzichten, ihn gemäß seines Tuns zu bewerten, wie ich den Kapitalismus, oder eine Regierung oder das Militär bewerten würde, völlig unabhängig von der Frage, ob diese Bewertung irgendetwas ändern würde. Wenn wir uns nur über Dinge klar werden wollten, die wir ändern könnten, wäre die übergroße Zahl der Diskussionen hier in der Matrix überflüssig.

Wenn sein Tun nicht wahrnehmbar ist, so lautet die Frage ein ums andere Mal, warum mit der Annahme seiner Existenz arbeiten?


ist Gott böse, weil er ultimativ böses Verhalten von Menschen als Teil seiner Schöpfung duldet?
genausowenig, wie sich ein Mensch und wie sich menschliches Tun in eine gut-böse-Dichotomonie zwingen lässt - es sei denn, du wärest Amerikaner oder fundamentalistischer Christ oder Muslim - genau so wenig ist das bei Gott - so es ihn gibt - der Fall. Genau so, wie der menschliche Wille von seinen Absichten "verunreinigt" und geprägt wird, genau so ist das bei Gott - so es ihn gibt - und seinem Willen der Fall. Und genau so wenig, wie du oder ich "böse" sind, weil wir angesichts des Bösartigen und Brutalen in der Welt nicht eingreifen - da es unser Maß übersteigt - genauso wenig ist das bei Gott - so es ihn gibt - der Fall. Gott ist entweder real existent und damit nicht allmächtig, oder er ist nicht real existent, und damit erledigen sich die Zuschreibungen.

Damit würde er aber zum Subjekt seiner Schöpfung und selbst den Ursache-Wirkungsbeziehungen unterworfen, denen die Schöpfung unterliegt.
Gott - so es ihn gibt - hat nichts geschaffen^^ er hat bestenfalls die Existenz vorgefunden, als er selbst zur Existenz gelangte, und seither hat er den Salat^^ ein furchtbar mächtiges - nicht allmächtiges - Wesen, das mit der Eigendynamik der Lebendigkeit irgendwie klarkommen muss, und erkannt hat, dass er sich besser raus hält, weil alles noch viel schlimmer werden kann, wenn man drin rumpfuscht

Traitor
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Mo 1. Apr 2013, 15:44 - Beitrag #7

Ich habe das mal wegen zu großer Gotteszentrizität aus dem Originalthread abgetrennt. Interessante Vergleichsobjekte sind übrigens Gott - jenseits von gut und böse? (2008) und Gott und das Gute (2004, Titelinspirator).

Bevor ich zur Moralfrage an sich etwas schreibe, muss ich erstmal nachlesen, was ich damals so dazu meinte. ;)

Vorab aber schonmal an Ipsissimus: Die Gottesvorstellung, die du da beschreibst, ist weit von der üblichen monotheistischen entfernt, und somit vermutlich nicht sonderlich relevant für Jans Fragestellung. Aber ich muss sagen, dass es eine wirklich spannende ist - quasi ein gewöhnlicher polytheistischer Gott, aber seiner Gleichen beraubt, existentialistisch auf sich selbst gestellt. Das gäbe den Stoff für einen grandiosen philosophischen SF-Roman her - wenn der nicht schon geschrieben ist und deine Inspirationsquelle darstellt...? ;)

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Mo 1. Apr 2013, 16:16 - Beitrag #8

Zitat von Traitor:Aber ich muss sagen, dass es eine wirklich spannende ist - quasi ein gewöhnlicher polytheistischer Gott, aber seiner Gleichen beraubt, existentialistisch auf sich selbst gestellt.

Die Frage ist leicht zu beantworten. Ein dermaßen entrückter Gott wird Scotty die Frau ausspannen, vgl. Star Trek: Who mourns for Adonis?

Für den Menschen kann nur der fromme Hiob als Beispiel gelten, der ohne Klagen und ohne Zweifel alles erträgt.

Es lohnt sich nicht nach Gott zu fragen, sondern man sollte mehr nach dem Menschen fragen.
So lange es Menschen gibt, die es wie der fromme Hiob trotz der Wirklichkeit der Welt einfach hinnehmen, wird es sie geben.

Ansonsten sollte man meiner Meinung klar zwischen Gott und der Schöpfungsinstanz unterscheiden. Da wird zusammengeführt, was nicht zusammengehört. Nicht nur Aristoteles hätte sicher wiedersprochen, wenn behauptet hätte Uranus oder gar Zeus sei der unbewegte Beweger.
Bei einer wie auch immer gearteten Omnipotenz würde ich es aber für wahrscheinlich halten, dass eben dieses ganz andere Dinge fur eichtig und falsch halten würde, als die Sterblichen. Nicht zuletzt ist der Untergang Karthago das Glück der Römer und die Gunst Babels die Strafe für die Israeliten. Da bleibt dem kleinen Wurm nur, es wie Hiob oder ein Tantalid zu nehmen und sich seinem Schicksal zu ergeben.

Lykurg
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Mo 1. Apr 2013, 20:01 - Beitrag #9

Ich muß Traitor rechtgeben - auch die Erkenntnis dessen, daß Einmischung in menschliche Belange die Dinge nicht eben verbessert, ist ein großartiger Zug eines Gottes in Anbetracht der Menschheitsgeschichte - wobei er bzw. sie es ja auch zuvor mehrfach versucht haben könnte(n), und eventuell die Nichteinmischung erst durch ein göttliches Konzil beschlossen werden mußte.^^
Das schöne Pratchett-Konzept aus Small Gods, nach dem ein Gott soviel Macht wie Anhänger hat, ließe sich eventuell auch mit einem solchen Setting verbinden.

Ipsissimus
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Di 2. Apr 2013, 14:34 - Beitrag #10

Die Gottesvorstellung, die du da beschreibst ...
Ein direktes literarisches oder religiöses Vorbild gibt es nicht, aber natürlich fließen da jede Menge Konzepte mit ein, die ich im Laufe der Zeit aufgeschnappt habe. Synkretismus lag mir schon immer im Blut^^

Der wesentliche Aspekt scheint mir allerdings nicht in etwaigen polytheistischen Bezügen zu liegen (die ich auch nicht wirklich erkenne), sondern in dem Umstand, dass dieser Gott als immanent beschrieben wird und somit, genau wie alles andere, eine gewordene Entität darstellt, die nicht über dem System der Existenz angesiedelt, sondern Teil davon ist.

Die Vorstellung kann in beliebige Richtungen ausgeweitet werden. Mir besonders sympathisch ist das Konzept eines Ergregore, also einer Art panpsychischer Matrix aus den Bewusstseinskernen aller lebenden Wesen, in der jedes Wesen sowohl Individuum, als auch Teil des Überbewusstseins ist. Aber es sind natürlich auch personalisierte Vorstellungen denkbar, dann wäre dieser Gott sowas ähnliches wie eine Superintelligenz à la "Es" (Perry Rhodan-Lesern wohlbekannt), nur sehr viel mächtiger.

Und warum das? Weil ich es für wichtig halte, sich in der Diskussion über Gott und seine Eigenschaften darüber klar zu bleiben, dass es keinen Menschen gibt oder gab, der auch nur eine einzige dieser Eigenschaft kennt oder kannte. Dass "Gott" auch immer völlig anders gedacht werden kann und dass es - meines Erachtens - auch keine Hierarchie angeblich überlegener Konzepte - à la: der Monotheismus ist eine höhere Entwicklungsstufe der Gottesvorstellung als der Polytheismus oder der Pantheismus - gibt. Dass Zuweisungen noch keinen Gott machen, sondern Zuweisungen sind, menschlichen Absichten verpflichtet. Dass alle Gottesbilder gleichwertig sind, solange sie nicht an der Realität abgeglichen werden können.

Und seien wir doch mal ehrlich: das letzte, was Menschen, auch gläubige Menschen, brauchen können, ist ein realexistenter Gott, der ihnen permanent und konkret in die Parade fährt. Die meisten können ja noch nicht mal ein Gewissen brauchen. Deswegen hat es mir Spaß gemacht, einen als immanent gedachten Gott zu entwerfen^^ vielleicht gelingt es ja, ihn eines Tages zu verifizieren oder zu falsifizieren^^ beides wird bei transzendenten Gotteskonzepten nie gelingen^^

klar zwischen Gott und der Schöpfungsinstanz unterscheiden
Anaximander spricht vom "apeiron", einem unpersönlichen Prinzip, das alles aus sich heraus immanentisiert und später auch alles wieder emmanentisieren wird. Für einen Satz, der ganz am Beginn der europäischen Philosophiegeschichte steht, gar nicht mal so schlecht^^ sollte noch einige Zeit vergehen, ehe dieser Satz konzeptuell wieder eingeholt wurde - überholt wurde er bis heute nicht.

... wenn behauptet hätte Uranus oder gar Zeus sei der unbewegte Beweger
Aristoteles hätte dem sicher nicht zugestimmt, allerdings ging im letzten hellenistischen Jahrhundert die Vorstellung immer mehr in diese Richtung, zunehmende Betonung der Bedeutung von Zeus und nachlassende Wichtigkeit der anderen Götter. Auch ohne das Christentum wären die Griechen irgendwann beim Monotheismus angelangt^^ es gibt da eine Erzählung, in der Zeus die anderen Götter herausfordert mit der Frage, ob die denn glauben, sie könnten alle zusammen die Welt auch nur um ein Jota bewegen, wenn er sich dagegen sperrte.


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