Ist die Bibel frauenfeindlich?

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Traitor
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Fr 7. Sep 2001, 17:56 - Beitrag #1

Ist die Bibel frauenfeindlich?

So, da habt ihr euren neuen Thread.
Ich denke, im Grunde sind beide Meinungen richtig.

@Orald:
Ich kenne auch eine Stelle, wo ausdrücklich gesagt wird, dass Frauen schlechter sind (aber mein Bibelwissen....). Allerding meinen Cara und Feuerkopf wohl eher die praktische Benachteiligung der Frauen in den Geschichten der Bibel (ich habs so verstanden), die sich allerdings in allen (fast allen) Texten der Antike und des MAs finden lässt. Es war damals halt allgemeine Meinung. Somit würde ich nicht die Bibel speziell als Frauenfeindlich ansehen, sondern eher ihre gesamte Enstehungszeit.

Ach ja:
eine Väterreligion ist, die sich absichtlich und deutlich vom weiblich dominierten Pantheismus

Pantheismus weiblich dominiert? Bei den Griechen war Zeus der Chef, bei den Ägyptern Amon, bei den germanen Odin... Alles Männer!

Und:
Was ist Androgynität?

Padreic
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Fr 7. Sep 2001, 18:09 - Beitrag #2

@Traitor
Ich denke, dass die Bibel (jedenfalls das neue Testament) für ihre Zeit ein eher gemäßigtes Frauenbild vertrat.

Der Pantheismus ist wohl nicht vollständig weiblich dominiert, aber enthält auf jeden Fall auch viele weibliche Elemente. Die meisten Fruchtbarkeitsgöttinen waren weiblich und Fruchtbarkeit war (in beiden Sinnen *g*) damals ein wichtiges Thema.

Weiterhin waren gab es viele Pristerinnen. Im Orakel von Delphie z.B.

Padreic

Thod
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Fr 7. Sep 2001, 18:14 - Beitrag #3

Natürlich ist der Pantheismus ein weibliches Prinzip!
Die Germanen waren keineswegs Pantheistisch, ebenso die Griechen in ihrer klassischen auch nicht. Was du meinst, ist warscheinlich Polytheistisch...

Gruß,
Orald

Traitor
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Fr 7. Sep 2001, 18:18 - Beitrag #4

uups, da hab ich was verwechselt. Ist wohl ein "false friend" von wegen "Pantheon". Ich meinte den Polytheismus. Was ist denn Pantheismus genau?

Thod
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Fr 7. Sep 2001, 18:24 - Beitrag #5

Pantheismus ist die Vorstellung, alles sei Gott.

Gruß,
Orald

Ipsissimus
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Do 5. Sep 2013, 13:15 - Beitrag #6

"Frauenfeindlichkeit als Problem" ist ein Konzept, das erst sehr spät in der Kulturentwicklung entstand, im Grunde erst seit der Aufklärung. Vorher war die untergeordnete Position von Frauen in Europa, dem größten Teil Asiens und Nordafrika Teil des selbstverständlichen sozialen Hintergrundes, sie stand nicht zur Debatte und musste nirgendwo ernsthaft eingefordert werden. Insofern lässt sich aus heutiger Sicht frauenfeindlicher Content in der Bibel an unzähligen Stellen nachweisen, ist aber in der Tat nur eine lokale Variante des Mitte Holozän zunehmend um sich greifenden Patriarchats, dessen Erfolgsgeschichte vermutlich damit zusammenhängt, dass der Zusammenhang zwischen Sperma und Schwangerschaft erkannt und zu einem Argument für Macht umgedeutet wurde (die Bedeutung der Eizelle wurde erst Jahrtausende später erkannt). Es lässt sich an vielen Details der konkreten Formulierungen in der Thora (und anderen Heiligen Schriften) nachweisen, wie fasziniert die Schreiber davon waren, welche Macht sie mit ihrem Penis ausüben konnten, selbst wenn das aus heutiger Sicht als reines Kopfkino zu charakterisieren ist.

Vom prähistorischen Pantheismus zu sagen, er sei weiblich, macht dagegen ungefähr soviel Sinn, wie von der Erde zu sagen, sie sei weiblich. "pan" bedeutet im Griechischen "alles", ist also übergeschlechtlich, und allein das verbietet schon eine einseitige Zuschreibung. Richtig ist möglicherweise, dass die Träger einer derart aufgeklärten Sichtweise eher in Frauen vermutet werden können, die Sichtweise selbst stand über kleinlichen Spekulationen zu geschlechtsabhängiger Höherwertigkeit. Das wurde dann die Domäne der Männer. Wobei deren Weg sicher über den Polytheismus, also einer Umdeutung von natürlichen und semitranszendenten Wesenheiten zu transzendenten Wesenheiten, führte.

"Pantheismus" leitet sich zwar von "alles ist Gott" her, aber das Gottesbild, mit dem das Konzept hinterlegt ist, entspricht natürlich nicht dem des Monotheismus, noch nicht mal dem des Polytheismus, sondern verfügt über eine sehr viel komplexere Struktur. Es basiert auf Panpsychismus und weist der Panpsyche göttliche Qualität zu, wobei diese Qualität deutlich hierarchisch strukturiert ist - es gibt mächtigere und weniger mächtige Götter, es gibt Wesenheiten, die nicht die Schwelle zum Gott erreichen, trotzdem aber über den Menschen stehen usw., vor allem aber geht es darum, dass allem, was existiert, Bewusstheit zukommt, auch der "unbelebten" Natur. Im Grunde ist es ein Konzept von Relationen, denen Avatare zugewiesen wurden. Es besteht auch kaum Zweifel, dass diese Avatare von früheren Menschen gesehen wurden, auch die Bindung von Wahrnehmung an rationale Realität ist ein eher neueres Konzept.

Maglor
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Do 5. Sep 2013, 18:22 - Beitrag #7

Das Konzept des prähistorischen Pantheismus und dem des prähistorischen Matriarchat gehören zur gleichen Epoche wie der Feminismus.
Hinweise auf jene Vorzeit liefert z. B. der Lebenslauf des Regemachers in Hesses Roman "Das Glasperlenspiel" oder auch der italienische Filmklassiker "Als die Frauen noch Schwänze trugen". Gerade der Spielfilm liefert ein knappes und präzises Bild jenes pikanten Frauenkults im 20. Jahrhundert. :crazy:

Ipsissimus
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Mo 9. Sep 2013, 11:12 - Beitrag #8

ganz so einfach ist es nicht, Maglor^^ die Prähistorie zeichnet sich zwar durch das Fehlen einer durchgängigen Geschichtsschreibung aus, aber zumindest für die letzten 45000 Jahre verfügen wir über ein relativ dichtes Netz von archäologischen Funden, die ein matriarchal-pantheistisches Weltbild zumindest nahelegen.

Noch als Ergänzung: die meisten pantheistischen Systeme waren/sind selbstverständlich immanent gedacht. Allein das ist schon ein erhebliches Distinktionsmerkmal zu anderen Religionssystemen.

Maglor
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Mo 9. Sep 2013, 20:40 - Beitrag #9

Es gibt ein relativ dichtes Netz von Flintsteinwerkzeuge, die eindeutig auf einen steinzeitlichen Pantheismus hinweisen. ;)
Ich denke du meinst diese eigenwillig pornografischen "Venus"-Figuren aus der Steinzeit. Die sind sicher genauso matriarchalisch wie Die große Odaliske von Ingres.
Eine "Frau Eva" ist sicher nur in der Einbildung.

Traitor
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Mo 9. Sep 2013, 21:03 - Beitrag #10

In Sachen Frühantike wäre auch ein spannendes Ausgrabungsprojekt, aus welchem anderen Thread heraus das "So, da habt ihr euren neuen Thread." sich abspaltete... ;)

Der abstraktere Pantheismus, wie Ipsissimus ihn zu beschreiben scheint, ist meines Erachtens eine zivilisierte Erfindung, in Teilen schon bei manchen Altgriechen auftauchend, in voller Entfaltung aber sogar rein neuzeitlich. Der prä- und historische "Pantheismus" (so wenig wir auch über ihn wissen, scheint zumindest die Existenzannahme doch durchaus gerechtfertigt) erscheint mir dagegen als weniger hierarchisierte und formalisierte Frühform des Polytheismus besser beschrieben. Die Übergänge waren ja auch fließend, kaum ein Polytheismus hatte wirklich sauber definierte Gottheiten oder konnte diese gar über längere Zeiten halten. Und die früheren Formen legten meist noch mehr Fokus auf Zuständigkeit für Naturphänomene und Orte, die späteren mehr auf Gesetze und abstrakte Zuständigkeiten. Ein polytheistischer Gott (so er denn kein aufgestiegener menschlicher Held oder Herrscher war) war fast immer auch nur ein zu groß gewordener Naturgeist.

Dass "Pantheon" und "Pantheismus" so wenig miteinander zu tun haben, finde ich aber auch 12 Jahre später noch bescheuert. ;)

Weg von der *theologie, zurück zu Geschlechtern. Die Titelfrage des Threads lässt sich so sicher verneinen, da sie zeitlich nicht zueinander passende Konzepte kollidieren lässt. Fest steht aber, dass die Entstehungszeit der Bibel aus heutiger Sicht frauenfeindlich war, und dass seitdem und bis heute viele Verwendungen der Bibel frauenfeindlich waren und sind. Ersteres ist aufgrund seiner Rückwirkendheit ein wertloses Urteil, letzteres ein äußerst ärgerliches Politikum.

Maglor
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Mo 9. Sep 2013, 22:31 - Beitrag #11

Der Gott der Schule von Athen war sicher nicht der Gott der arkadischen Hirten. Genausowenig wird der Gott der Jerusalemer Bonzen, der Pharisäer oder Qumran-Sektierer nicht der Gott von Brian Cohen gewesen sein.

Hinter den biblischen Frauengestalten gibt es ein klares Muster. Meist sind es die Frauengeschichten, die die Männer ins Verderben. Immer wieder wird vor den heidnischen Frauen gewarnt und falsche Verbindungen führen ins Unglück. Nicht gilt nach dem Gesetz des Moses nur der als Jude, dessen Mutter auch Jüdin war. Wer der Vater war ist gleichgültig, Hauptsache die Mutter war keine Hexe aus Kanaan und dem Land der Philister. (Matrilinear hat eben auch gar nichts mit Matriarchat zu tun.)
Die falschen Frauen bringen die Heiligen zu Fall. Lot, Simson, David, Salomon, Ahab, Johannes der Täufer ... die Liste ihrer Opfer ist lang.
Andere wie Josef oder Abraham werden wenigstens in Versuchung geführt. Gerade die Geschichte von Josef und der Ägypterin, die ja in einer vorgetäuschten Vergewaltigung endet, ist symptomatisch für das biblische Frauenbild.

janw
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Mo 9. Sep 2013, 22:38 - Beitrag #12

Ich denke, daß für die religiösen Erscheinungsformen des Präneolithikums der Begriff des Pantheismus etwas unpassend ist: Pantheismus ist in meinen Augen ein Deismus, da er von einer dezidierten Göttlichkeit ausgeht, die in allem ist, alles durchwirkt.
Ich denke dagegen eher, daß man von animistischen Vorstellungen sprechen sollte.

Auch ideengeschichtlich ist der Pantheismus eher aus deistischen (polytheistischen) Weltbildern abgeleitet, als diesen zeitlich vorgelagert.

Ipsissimus
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Mi 11. Sep 2013, 12:37 - Beitrag #13

kennt der Animismus Abbildungen von Gottheiten?

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Mi 11. Sep 2013, 13:45 - Beitrag #14

Ich denke schon - Totempfähle zum Beispiel zeigen mE neben Familienzeichen auch allgemeinere Naturgeister bzw. quasi-göttliche Wesen.

Traitor
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Mi 11. Sep 2013, 17:26 - Beitrag #15

Animismus, Spiritismus, Schamanismus, naturnaher Frühpolytheismus... alles schwer voneinander abzugrenzen, pro Begriffspaar wurden sicher schon hunderte Doktorarbeiten geschrieben. ;)

Nicht ganz so unübersichtlich, aber immer noch spannend ist auch der Übergang Polytheismus -> Monotheismus, von "du sollst keinen Gott neben mir haben" zu "es gibt nur einen Gott", vom "Gott des Bundes" bis zum "Schöpfer, Vater und Richter" war es bekanntlich eine komplexe Entwicklung.

@Maglor: Passt auch in jenes Schema...
Matrilinearität hat natürlich offensichtliche Vorteile bei der Beweislage.

Maglor
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Mi 11. Sep 2013, 19:11 - Beitrag #16

Zitat von Ipsissimus:kennt der Animismus Abbildungen von Gottheiten?

Ist das Beweis genug?
Bild


Zitat von Traitor:Nicht ganz so unübersichtlich, aber immer noch spannend ist auch der Übergang Polytheismus -> Monotheismus

Zu beachten ist hier, dass JHWE und Astarte früher mal verheiratet waren.

Ipsissimus
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Do 12. Sep 2013, 10:38 - Beitrag #17

im Rahmen animistischer Spiritualität sind (semi)transzendente Wesen nicht notwendigerweise Gottheiten. Die Welt wimmelt von Natur- und Totengeistern oder anderen nichtmenschlichen Intelligenzen, die nicht als Gottheiten aufgefasst werden. "Gute/böse Geister" sind nicht identisch mit "guten/bösen Göttern".

Maglor, das Bild deutet, wenn es überhaupt einen religiösen Hintergrund hat, eher auf eine Kargo-Religion statt auf Animismus hin^^ wahrscheinlich hat sich aber einfach nur ein Anangu dazu herab gelassen, als folkloristische Staffage eines Staatsbesuchs zu dienen.

Traitor
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Do 12. Sep 2013, 13:04 - Beitrag #18

Es gibt Spielarten, in denen es gar keinen Gottesbegriff gibt und alles nur Geister sind. Es gibt Spielarten, in denen es nichtgöttliche Geister einerseits und Götter andererseits gibt. Es gibt Spielarten, in denen das kaum zu unterscheiden ist. Bei den nordamerikanischen Religionen wird meines Wissens immer noch daran geforscht und gezweifelt, wie gottesnah die Vorstellungen in den ursprünglichen, vom Christentum unberührten Formen waren.

@Maglor: Lässt sich die Landnahme als Rosenkrieg deuten?

Lykurg
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Do 12. Sep 2013, 20:17 - Beitrag #19

Daß man im Pantheismus schlecht von guten/bösen Göttern sprechen kann, ist naheliegend; bei animistischen Vorstellungen ebenfalls. Mag auch sein, daß je nach Fragesteller unterschiedliche Antworten herauskommen, wer oder was nun als Gottheit zu betrachten wäre.
Aber ja, ein Cargo-Kult; und offenbar nicht nur folkloristisch, Prince Philip ist dem Kult zufolge der Bruder von John Frum.


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