Der Philosoph Plotin | Die Geschichte des Entrückten

Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und der Wahrheit.
Greywulf
Junior Member
Junior Member

 
Beiträge: 82
Registriert: 13.11.2001
Mi 27. Feb 2002, 16:33 - Beitrag #1

Der Philosoph Plotin | Die Geschichte des Entrückten

Porphyrios, selber ein Philosoph von hohen Graden, beginnt die Biographie seines Lehrers Plotin, des bedeutendsten Denkers aus dem dritten Jahrhundert nach Christus, mit dem Satz: >> Plotin, der Philosoph unserer Tage, glich einem Manne, der sich schämt im Leibe zu sein.<<
Anschließend gibt er Beispiele für diesen Abscheu vor der Körperlichen Existenz. Plotin habe niemals von seiner Herkunft, seinen eltern oder seiner Heimat erzählt. Auch seinen Geburtstag, den Tag des Eingangs der Seele in den Leib, habe er nicht verraten, damit man nicht etwa darauf komme, ein so bedauerliches Ereignis auch noch zu feiern. Auch habe er es nie geduldet, dass man ein Bild von ihm verfertige; die Schüler bringen deshalb den berühmtesten Maler der Zeit heimlich in seine Vorlesung, und der hält nach dem Gedächtnis die Züge des Meisters fest.
aber die Verachtung des Leibes geht bei Plotin noch weiter, Er lehnt es ab, gegen eine Darmkolik, die ihn heftig quält, mit Spülungen vorzugehen. Überhaupt weigert er sich, bei Krankheiten Medikamente zu nehmen.
Ja selbst die anfangs gewohnten täglichen Massagen gibt er auf, worauf er noch kränker wird. Auch im Essen ist er äusserst mäßig;
manchmal vergisst er sogar das Stück Brot, das er sich bereitgelegt hat, was sich dann freilich durch Schlaflosigkeit rächt. Das Ergebnis dieser Verachtung des Leibes ist, dass Plotin dahinzusiechen beginnt und dass ihm, als er älter wird, die Stimme versagt und Hände und Füße eitern. Das bringt ihn übrigens in Schwierigkeiten im Umgang mit den Schülern; denn er hat die Gewohnheit sie zur Begrüßung zu umarmen. Porphyrios berichtet, die Anhänger hätten sich deshalb allmählich zurückgezogen.

Zu philosophieren beginnt Plotin mit 28Jahren, angeregt durch den Philosophen Ammonios, der, wie Sokrates, keine Schriften verfasst und der, weil er sich seinen Leebensunterhalt als Gärtnergehilfe verdient, den beinamen >>Der Sackträger<< führt.
Seine Lehrtätigkeit übt Plotin zunächst in Alexandrien aus , um dann nach Rom üüberzusiedeln und dort öffentliche Vorlesungen zu halten.
Übrigens geht es bei diesen recht lebendig, ja gelegentlich sogar arg turbulent zu.
Der Biograph berichtet : Der Unterricht war voll von Durcheiander und vielem Reden, weil Plotin die Hörer anregen wollte, selber zu fragen.
In Rom nun sammelte sich eine große Zuhörerschaft um seine Lehrkanzel.
Es kommen nicht nur Schüler im eigentlichen sinne ;auch die große welt, darunter eine erhebliche Zahl von Senatoren, drängt sich in Plotins Vorlesungen. Selbst der Kaiser samt Gemahlin besucht das Auditorium. Dass auch Frauen Zutritt zu seinen Vorlesungen erhalten, vermerkt der Biograph Plotins übrigens als zeichen seiner besonderen aufgeschlossenheit.



--------fortsetzung folgt

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 12. Feb 2015, 17:41 - Beitrag #2

ein bisschen zu sehr der Legende verpflichtet, aber schade, dass es nie fortgeführt wurde

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
Do 12. Feb 2015, 21:55 - Beitrag #3

Plotin ist heute ein weitgehend unterschätzter Philosoph. Tatsächlich hat er dem Abendland mehr oder weniger seinen Stempel aufgedrückt.
Plotin hatte auch die christliche Glaubensvorstellung vielleicht sogar ein größeren Einfluss als Moses oder Ezra (unabhängig davon, dass es sich wohl nicht um historische Personen handelt).
Beschäftigt man sich zu lange mit der Rezeptionsgeschichte des Neoplatonismus, klingt die Phrase eines "jüdisch-christlichen Erbes" als Grundlage unserer Kultur immer hohler.
Alle großen Denker des Mittelalters und Renaissance sind mehr oder minder Schüler Plotins. (Soweit die Legende)

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Fr 13. Feb 2015, 11:55 - Beitrag #4

deswegen finde ich es ja schade, dass es nie fortgesetzt wurde^^

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
So 22. Feb 2015, 20:38 - Beitrag #5

Tatsächlich kam in der Folgezeit der alte Plotin nur zweimal zur Sprache. Eine Wiedergeburt wäre ja durchaus im Sinne seiner Lehre. :crazy:

Zitat von Maurice vom 08.05.2005:Ich habe gerade das Kapitel über Plotin gelesen... der Typ hatte imo echt eine Schraube locker. Wie kann man nur auf so ein abgedrehtes Zeug kommen? :crazy:


Zitat von Padreic vom 20.03.2007:Was dem (traditionellen) westlichen Denken wohl vor allem dabei fremd ist, ist das Denken des Nichts und der Glaube an die fehlende rationale Durchdringbarkeit des Seins. Davon finden sich natürlich auch Ansätze (von letzterem z. B. in der Mystik), aber die griechische Philosophie wirkt dem wohl entgegen. Die neuere Philosophie von Nietzsche und Heidegger, die da schon andere Wege geht, darf man da natürlich nicht betrachten, da sie indirekt schon von östlichen Wegen beeinflusst ist...

Aber einiges davon, was da über das Dao steht, findet sich natürlich schon in der griechischen Philosophie, besonders auch bei Heraklit.
Es ist immer ein und dasselbe, Lebendiges und Totes, das Wache und Schlafende, Jung und Alt. Wenn es umschlägt, ist es jenes und jenes wieder, wenn es umschlägt, dieses.
- das klingt doch schon fast östlich ;).
Und auch der aristotelische Formgedanke hat manche Ähnlichkeit mit dem Dao, da es auch jede Veränderung hervorbringt und in allem wohnt. Andererseits hat das Dao als Nicht-Sein und Potentialität auch Ähnlichkeit mit der aristotelischen Materie.
Auch an Plotin erinnert es:
Es ist also jenes Erste auch nicht Geist, sondern schon vor dem Geiste; denn der Geist ist etwas von den seienden Dingen; jenes aber ist nichnt ein Etwas, sondern vor jeglichem; und auch kein Seiendes; denn das Seiende hat zur Form gleichsam die Form des Seienden, jenes aber ist auch ohne geistige Geformtheit. Da nämlich die Wesenheit des Einen die Erzeugerin aller Dinge ist, ist sie keines von ihnen. Sie ist also weder ein Etwas, noch ein Qualitatives, noch ein Quantiatives, weder Geist noch Seele; es ist kein Bewegtes und wiederum auch kein Ruhendes, nicht im Raum und nicht in der Zeit, sondern das Eingestalitge als solches; oder vielmehr ohne Gestalt, da es vor jeder Gesatlat ist, vor Bewegung und vor Stillstand, denn die haften am Seienden und machen es zu einem Vielen.

Plotin war aber auch selbst in Persien und Indien...
Und auch die Stoa sagte, dass man mit dem Gesetz, mit dem Schicksal im Einklang leben sollte; mit etwas anderen Folgen aber wohl ;).

Vieles von dem alten westlichen Denken ist aber leider fast vergessen ob der modernen Naturwissenschaft und der analytischen Philosophie.

Nochmal zurück zum Nichts und zur fehlenden rationalen Durchdringbarkeit: gehört das nicht auch zum Geist der Teezeremonie. Es gibt nichts, was an sich erstrebenswert ist, welche Fertigkeit ich zur Perfektion bringe, ist allein mir überlassen; wichtig ist nur, dass es keine geistige Tätigkeit ist; denn tiefe geistige Probleme sind weniger wert als im Augenblick zu leben. Und auch die Selbstvergessenheit, zeigt sie nicht ins Nichts?


Die Vernachlässigung Plotins ist wirklich erschreckend.
Ganz gut wird dies durch das Vollzitat eines völlig inhaltsleeren "Artikels" aus dem Brockhaus verdeutlicht:
    Plotīn (Plotīnos), Neuplatoniker, geb. 204 oder 205 n.Chr. zu Lykopolis in Ägypten, gest. 270 n.Chr. in Kampanien. Ausg. von Kirchhoff (1856), mit deutscher Übersetzung von W. Müller (1878-80). – Vgl. H. von Kleist (1883).

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
So 22. Feb 2015, 23:01 - Beitrag #6

Der beste Beweis für seine zu geringe Breitenbekanntheit ist, dass ich mich noch daran erinnern kann, damals bei Greywulfs Beitrag zuerst gedacht zu haben, "Plotin" sei entweder ein Schreibfehler oder eine Satire-Variation von "Platon". ;)

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 23. Feb 2015, 00:46 - Beitrag #7

Daß er sich mit dem Namen ausgerechnet für den Neoplatonismus einsetzen bzw. zu dessen zentralem Vertreter werden mußte, war so gesehen auch kein geschickter Schachzug, wenn auch immerhin gut zu merken, nicht auszudenken, wenn er sich etwa mehr für Antisthenes interessiert hätte (der von Platon gar nicht viel hielt). ;)

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 23. Feb 2015, 14:40 - Beitrag #8

Meinst du, das war Absicht, der Bezug auf Platon?

Aber einiges davon, was da über das Dao steht, findet sich natürlich schon in der griechischen Philosophie, besonders auch bei Heraklit.

problematisch, letztlich wissen wir von Heraklits Denken so gut wie nichts; die erhaltenen Fragmente sind leider Fragmente, könnten also in Kontexte eingebunden völlig unterschiedliche Bedeutungen gehabt haben. Es ist natürlich verführerisch, den Fluss, in den man nicht zweimal steigen kann, mit dem Dao zu assoziieren, aber das Dao ist eher durch die Vereinigung der Gegensätze zu Wandelzuständen charakterisiert, von denen bei Heraklit nichts bekannt ist. Auszuschließen ist es nach Stand des Wissens aber auch nicht.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4280
Registriert: 25.12.2001
Mo 23. Feb 2015, 23:07 - Beitrag #9

Plotin als Emanation Platons wäre im Sinne neuplatonischer Seelenlehre durchaus denkbar, aber solche buchstäbliche Nähe muss nicht sein, ist ja bei David, Elia und Jesus auch nicht gegeben. :wzg:


Zurück zu Philosophie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste

cron