Harry Potter VI

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
e-noon
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Fr 16. Sep 2005, 15:39 - Beitrag #81

Ich mich auch...
allerdings denke ich, dass er sich über den unverzeihlichen fluch nicht aufregt, weil er tot ist.
Dumbledore sollte mit viel offeneren Karten spielen und hätte es besser getan, statt zuzulassen, dass der kleine Malfoy Todesser in die Schule lässt und er selber nicht da ist. Es hätten immerhin auch Menschen getötet werden können, und lieber Malfoy tot als ein anderer Schüler und Dumbledore tot, oder!?

Malte279
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Fr 16. Sep 2005, 15:51 - Beitrag #82

Du verwechselst da was. Der unbreakable vow ist dieses Versprechen, dass Snape Malfoys Mutter gegeben hat (nicht zu verwechseln mit einem unforgiveable course). Snape hat Malfoys Mutter nicht nur versprochen Malfoy zu beschützen und ihm bei seiner Aufgabe zu helfen, sondern auch diese Aufgabe (Dumbledore umbringen) zu übernehmen sollte Draco es nicht fertigbringen. Harry hat Snape und Malfoy ja belauscht und so von dem unbreakabe vow (dessen Inhalt er allerdings nicht kannte) erfahren. Als er Dumbledore davon berichtet hat hätte Dumbledore zumindest wegen dem unbreakable vow hellhörig werden und ein paar Nachforschungen anstellen müssen. Denn wer einen unbreakable vow bricht (in Snapes Fall also Dumbledore nicht umbringt wenn Draco es nicht schafft), der stirbt selbst.

aleanjre
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Fr 16. Sep 2005, 17:02 - Beitrag #83

Nun mal langsam: Im 2. Kapitel schwört Snape zwar, Malfoys Aufgabe zu übernehmen, aber es wird nicht genau beziffert, WAS diese Aufgabe ist. Es könnte sein, dass Snape nur versprochen hat zu helfen, dass Malfoy die Death Eater in die Schule bringen kann.

e-noon
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Fr 16. Sep 2005, 18:06 - Beitrag #84

Stimmt, hab ich verwechselt ^^*
Aber warum redet Dumbledore nicht mal mit Harry über seine Pläne? Und warum fragt Harry nicht mal Dumbledore, bevor er zu einer übereilten Heldentat losschreitet, und hört auf diesen, wenn er ihm einen Auftrag gibt!?

Lykurg
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Fr 16. Sep 2005, 22:34 - Beitrag #85

Harry ist durch die Besonderheiten seiner Rolle (sowohl seine quasimessianische Berühmtheit als auch sein Leben bei den Dursleys) ziemlich schwierig im Umgang mit Menschen. Es ist für ihn nicht möglich, sich Dumbledore völlig anzuvertrauen, auch da er sieht, daß der vor ihm eine deutliche Zurückhaltung wahrt. Dumbledore hat, soweit ich sehe, vor allem zwei Gründe: Einerseits hat sich Harry im fünften Band als mögliches Werkzeug Voldemorts gezeigt - Voldemort kann durch ihn sehen, es wäre also äußerst unvorsichtig, Harry zuviel Macht und Wissen anzuvertrauen, bevor dieses Problem gelöst ist. Und Dumbledore hat Angst, Harry durch zuviel Aufmerksamkeit und persönliche Anteilnahme zu verderben. Beides wird im Abschlußgespräch des fünften Bandes besprochen. Harry-typisch ist dann wieder, daß er die Erklärungen nicht völlig akzeptiert (oder besser gesagt nicht wahrhaben will) und daher schon am Anfang des sechsten Bandes nicht glaubt, daß Dumbledore ihn wirklich abholen will. Andererseits ist Harry - zum Teil berechtigtermaßen - frustriert, weil er das Gefühl hat, Dumbledore vertraue seinem Urteil nicht. Damit hat der aber auch recht, etwa in seinen Verdächtigungen Snapes im ersten Band oder Dracos im dritten (?) lag Harry falsch - daß die beiden sich im sechsten Band als abgrundtief böse herausstellen sollten, ist davon ja unabhängig.

Dumbledore hat ohnehin einen ziemlich schweren Stand in der Zaubererwelt, mit der er seine größten Geheimnisse nicht teilen kann, die ihm aber auch die wesentlichsten Dinge nicht glauben mag. Auch Scrimgeour ist ja nur ein Vertreter einer neuen Richtung, aber nicht geeignet, die dunkle Magie zu bekämpfen - sondern höchstens ihre Ausübenden.


Edit: falsche Verdächtigung Dracos im zweiten Band (als "Heir of Slytherin")

aleanjre
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Sa 17. Sep 2005, 00:06 - Beitrag #86

Exakt. Während seines Lebens bei den Dursleys hat Harry gelernt, völlig auf sich selbst gestellt zu handeln. Das führt eben auch dazu, dass er gar nicht erst auf die logische Idee kommt, jemanden um Hilfe zu bitten, sich jemanden anzuvertrauen.

Ein Punkt, der übrigens - abgeschwächt - auch auf Hermione zutrifft. Man erfährt nur sehr wenig über ihre Zahnarzt - Eltern, aber daraus kann man schon vermuten, dass Hermione hauptsächlich über ihre Leistung definiert wird. So als sie einfach über Weihnachten in Hogwarts bleibt, mit der Behauptung, sich auf Prüfungen vorzubereiten: "Das ist etwas, dass sie verstehen". Sie versucht stets, ihre Probleme erst einmal allein zu lösen, indem sie die Bibliothek stürmt. Erst danach wendet sie sich ratsuchend an die Lehrer. Der wahnsinnige Leistungsdruck, unter den sie sich selbst setzt - sie ist ebenfalls ein Fall von traumatischer Kindheit, nur eben weniger offensichtlich.

Was nun Dumbledores Gründe für sein Verhalten in so vielen Dingen angeht: dafür müssen wir noch zwei Jahre warten. Frühestens dann ist Band 7 fertig. :(
Ron hingegen entstammt einer laut-fröhlichen Großfamilienidylle, die im 1. Buch wirklich noch sehr idyllisch erscheint und dann nach und nach zu einem erstaunlich realistischen Bild einer Familie mit ureigener Dynamik und Problemen wird. Der Vater, der seine Kinder nicht erzieht und ihnen eher Kumpel als Vorbild ist, ein idealistischer Träumer, für dessen Phantastereien alles, auch seine Familie, zurückstehen muss. Trotzdem auch ein Mann, der nicht zögert für die erdnaheren seiner Ideale zu kämpfen.
Die tüchtige Mutter, die den ganzen Laden schmeißt. All ihre Kraft darin investiert, dass ihre Kinder es mal "besser" haben. Die nicht akzeptiert, dass ihre Babys nun mal individuelle, sehr starke Persönlichkeiten sind, die ihren eigenen Weg gehen wollen. Trotzdem ist sie sehr stolz, weil nun mal auch alle auf ihre Weise sehr erfolgreich sind. Percy finde ich wahnsinnig interessant. Sein skrupelloser Ehrgeiz, der ihn vor keinen Abgrund scheuen lässt, blind für die Wahrheit, für alles, dass ihn von seinem Ziel ablenken könnte - wow!

Alle Hauptfiguren der Bücher sind ausgezeichnet gearbeitete Charaktere. Allesamt überzeichnet, aber das ist nun mal essentiell für Rowlings Bestreben, Humor in gleichen Teilen mit Grusel zu kombinieren, ohne ins Lächerliche abzugleiten. So muss Harry ein bisschen zu viel leiden, Hermione ist ein Tick zu genial, Ron ein klein wenig zu linkisch, Dumbledore einen Hauch zu weise, Hagrid minimal zu pathetisch, Malfoy um Haaresbreite zu hinterhältig...

Die Maschine
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Mo 19. Sep 2005, 20:08 - Beitrag #87

Also ich finde auch alle Charaktere oder auch alle Handlung sind insoweit sprachlich wie auch logisch, bzw. gedanklich ausarbeitet, dass da ein ganzes Beziehungsgeflecht wie in der Realität entstanden ist.
Und dann gibt es da natürlich noch die Analysen oder Interpretationen von Literaturkritikern, die behaupten, Harry Potter wäre ein schwules Buch, zum Beispiel die Textstelle "Nimm das DING weg!" (gemeint Zauberstab).... oder auch dass der Zauberstab als Phallus gesehen wird, hinzukommend, dass keiner der LehrerInnen verheiratet ist. Und das ist denke ich eine Stelle, die es auszubügeln gilt, was den Grad der Exaktheit angeht, dennoch ist diese Interpretation völlig überzogen und nicht wirklich nachvollziehbar für meinen Teil.

aleanjre
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Mo 19. Sep 2005, 20:18 - Beitrag #88

Je nachdem, in welche Schublade du diese Geschichte zwängen willst, kannst du für absolut alles einen Beweis finden. Die katholische Kirche ist gegen HP, weil Hexen und Magier die Helden sind, "zauberhafte" Lösungen für Probleme gefunden werden. Wer in einem Zauberstab einen Phallus sehen möchte, wird das tun. Wer nach Kindesmissbrauch forscht, muss bei den Dursleys schon nicht tief buddeln, aber die Nähe zwischen Harry und Hagrid bzw. Dumbledore könnte auch zweideutig betrachtet werden. Mit Sicherheit findet man auch Hinweise auf Sekten, Aliens und die Herrschaft der Schnecken, wenn man das will. Mrs. Rowlings liefert schließlich ganze Herrscharen von Worten, die man allesamt hübsch vedrehen kann. :rolleyes:

Malte279
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Mo 19. Sep 2005, 20:27 - Beitrag #89

Und das Ergebnis sind dann irgendwelche verrückten Prediger die Harry Potter Bücher verbrennen. Ich weis echt nicht ob das zum lachen oder zum heulen ist. :evil:
Aber ganz allgemein kann ich mit Literaturkritik nicht viel anfangen. Ich fürchte viele Literaturkritiker haben fast verlernt Bücher zu genießen wenn sie den Autoren keinen abstrakt philosophish, religiös, gesellschaftskritischen Hintergedanken aufzwängen können. Spannende Bücher wie R. L. Stevensons "Schatzinsel" (nur eins von vielen) wurden deswegen vollkommen verrissen. Das was ich den "Unterhaltungswert" nennen würde scheint für viele dieser Leute nicht zu existieren...
Ich bin ein bisschen vom Thema abgekommen. Tut mir leid.

Die Maschine
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Mo 19. Sep 2005, 20:29 - Beitrag #90

*g* naja du kannst in alles und jedem die Worte so verdrehen, dass der Sinn komplett gegensätzlich ist. Allerdings spielt da natürlich die größere Popularität von HP die Rolle, dass er für die "Propaganda" der kath. Kirche etc. benutzt wird. Allerdings kannst du auch bei der kath. Kirche sagen, dass böse Hexen und böse Zauberer versuchen das "Gute" zu besiegen und wenn man sich Gut und Böse betrachtet, ist das Gute eindeutig auf Seiten HPs und Dumbledores zu sehen, weil sie sprechen ja auch teilweise von moralischen Werten, für die Erhaltung des Guten... oder die Kirche sieht das einfach als Böse gegen Noch-Böser!

aleanjre
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Mo 19. Sep 2005, 20:35 - Beitrag #91

Ich glaube, die Argumentation lautet, dass Jugendliche und Kinder mit einer "gottlosen" Welt konfrontiert werden, die so nah dran ist an der Realtität, dass es so manchem armen Wicht schwer fallen könnte, Fiction und Wahrheit zu unterscheiden.

Malte: Literaturkritiker werden dafür bezahlt, Bücher zu verreißen, das ist ihr Job. Ein rein unterhaltsames Buch wäre da ja noch zu verzeihen, aber ein Buch, in dem so viele Werte wie Liebe, Freundschaft, das Abwägen zwischen dem was gut und dem was leicht ist - und dann gibt es keinen abstrakten religiösen oder sozialkritischen Bezug, also nein! :rolleyes:

Die Maschine
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Mo 19. Sep 2005, 20:39 - Beitrag #92

Also ich finde bei manchen Genres von Büchern muss man gar nicht analysieren oder interpretieren. Es reicht einfach das Buch (zum Beispiel einer Romanze) zu genießen, in Fiktion zu schwelgen ohne jetzt gewisse Verhaltens- oder Vorkommensweisen mit kirchlichen, staatlichen oder sonst welchen Idealen zu verknüpfen. Der Kopf und vor allem das Herz bildet sich eine ganz eigene Meinung!
Das hat jetzt nur mittelbar was mit HP zu tun, aber ich denke es handelt sich um die grundsätzliche Vorgehensweise von Interpretation oder zumindest deren Stellenwert.

Lykurg
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Mo 19. Sep 2005, 22:05 - Beitrag #93

Also hört mal! :mecker: Die Literaturkritik geht mit den Harry-Potter-Bänden eigentlich noch sehr schonend um. Die sehr positive Seite, daß die Reihe das fast schon abgeschriebene Medium Buch wieder in die Kinderzimmer gekommen ist und auch die Erwachsenen wieder zum Lesen gebracht hat, wurde von der Kritik ebenso beachtet und wohlmeinend vermerkt wie die Verwurzelung Rowlings in der literarischen Tradition.

Literaturkritik dient mindestens drei Zwecken:


  • Erklärung und Zugangsfindung (Verständnis des Werkes aus sich selbst und aus seinem historischen Umfeld; Einordnung in ein Genre, in eine Tradition, eine Kultur; die Aufgabe,in diesen Differenzen zwischen Autor und Leser zu vermitteln)
  • Verbesserung und Auslese (durch direkte Kritik am Buch sowohl auf den Autor einwirken, um Änderungen am Text oder an Folgewerken zu erreichen; Kritik von "minderwertigen" Strömungen der Gegenwartsliteratur [das schwierigste und gefährlichste Feld!]; Prognosen, welche Bücher die Zeit überdauern werden [interessant für die Verlage]; jedenfalls eine Lenkung der entstehenden Literatur in fruchtbare Richtungen)
  • Schutz des Bestandes (bedingt durch die zwiespältige Kanonbildung; aber auch durch kritische Ausgaben, Wiederentdeckung oder Besinnung auf Vergessenes)
Zweifellos gibt es im Bereich der Erklärungssuche die meisten Auswüchse, dort ist auch das verlockendste Arbeitsfeld: Der Grad an Wissenschaftlichkeit ist oft gering, die Nähe zum Leser groß (bzw. keine Distanz vorhanden). Die Themen erreichen den größten Benutzerkreis, einfach weil es natürlich ist, Fragen zu einem Buch zu haben - jedenfalls zu einem Buch von literarischem Anspruch. Diese Fragen suchen nach einem Experten, und es kann reichlich verlockend sein, sich als derjenige zu geben.

Der zweite Punkt ist der strittigste, aber für die Autoren und Entwicklung der Literatur zweifellos wichtigste Teilbereich. Wenn jedes Buch unrezensiert und mit gleichem Umschlag im Regal stünde, wüßte der Leser nicht, was er zuerst in die Hand nehmen sollte. Und wenn ein Autor mit einigem Talent, aber schlechten Angewohnheiten in jungen Jahren nicht von den Kritikern ein paar auf die Finger bekäme, würde er sich vielleicht nie zu den literarischen Höchstleistungen seiner späten Jahre aufschwingen - auch wenn selbstverständlich der Elan eines Frühwerks auch seine besonderen Reize hat.

Ohne die dritte Stufe fehlte unser Gedächtnis, der Untergrund unserer Literatur, die Doppelbödigkeit, die bei einer Anspielung auf ein Vorgängerwerk wachgerufen wird, der Assoziationsraum, der durch seine Umgebung wieder aufscheint. Eine reine Gegenwartsliteratur ohne Tradition entbehrt der Tiefe und der Farbigkeit.


Ich bin mit den Harry-Potter-Bänden recht glücklich. Aber ich meine deswegen nicht, daß sie über alle Kritik erhaben sind. Es ist im Interesse der Leser, Deutungen über sie (und sich) ergehen zu lassen und ihrerseits die Kritik zu kritisieren. Davon lebt die Literatur, das muß sie aushalten, und das hat wahre Literatur noch immer überstanden (ein schöner tautologischer Zirkelschluß, denn sonst wäre es ja keine :P).

Malte279
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Mo 19. Sep 2005, 22:32 - Beitrag #94

Meine Kritik an der Literaturkritik sollte sich auch gar nicht auf Harry Potter Kritiken beziehen. Ich meinte es mehr allgemein. Manche unserer Dozenten an der Uni scheinen vergessen zu haben dass man Bücher auch wirklich genießen kann. Es war ein Einwurf meinerseits der nicht wirklich zum Thema gehörte.

Lykurg
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Di 20. Sep 2005, 00:46 - Beitrag #95

Aber Malte! War denn meine Antwort nicht allgemein genug? :P
Laß den ersten und den letzten Absatz weg, und du hast eine allgemeine Verteidigung der Literaturkritik als absolut lebensnotwendigen Bestandteil unserer Gesellschaft, der Kritiker kommt gleich nach dem Bauern und dem Rechtsanwalt.^^

So, und wenn das dir jetzt zu eng am Thema war, weiß ich auch nicht...

Schwelgen in Büchern muß unbedingt sein! Bringen sie euch denn nicht bei, daß man ein Buch zwei bis drei Male lesen muß, bevor man richtig darüber urteilen kann? Ein erstes Mal zum Kennenlernen und genießen, danach in die Tiefe gehend (Strukturen, Motive), und eventuell ein drittes Mal abschnittsweise, selektiv in bestimmte Richtungen ausdeutend?

Ich habe mich daher bei den Harry-Potter-Bänden sehr darum bemüht, sie bloß nicht zu selten zu lesen. :D

Meines Erachtens kommen aber Lesarten wie die verdeckte Homosexualität oder die antichristlichen Inhalte nur bei flüchtiger bzw. überhaupt nicht vollzogener Lektüre zustande. Mich würde doch sehr interessieren, wie weitgehend sich die Vertreter einer solchen These mit dem Text selbst befaßt haben - und wieweit das im Baukastensystem zusammengestellte vorgefertigte Definitionsmuster sind, die nur ein bißchen an den Klappentext angepaßt werden.^^

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Di 20. Sep 2005, 01:38 - Beitrag #96

Ich denke schon, dass solch dubiose Vertreter die Texte lesen, aber eben durch die Linse verzerrter Wahrnehmung. Wer mit einem "Feindgefühl" an ein Buch rangeht, wird nichts Gutes darin finden.

Natürlich hat Kritik ihren Sinn. Konstruktive Kritik v.a. hilft einem Autor, sich zu entwickeln. Schwächen im Sprachstil, im Spannungsbogen, in der Charakterenzeichnung zu benennen hilft mehr als ein: "Superschinken, das Teil, erinnert an XXX".
Ich habe aber tatsächlich Literaturkritik gelesen, in der der Kritiker zugab, das Buch nicht zu Ende gebracht zu haben. Speziell bei HP gab es Vertreter, die es gar nicht gelesen haben und trotzdem ihre 2 Cent zubuttern mussten!

Malte279
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Di 20. Sep 2005, 08:19 - Beitrag #97

Es gibt auch ein Kritikbuch zum Herrn der Ringe (und ich muss gestehen dass ich nur eine Kritik dieser Kritik gelesen habe) mit dem Titel "Die bösen bösen Orcs". Der Autor behauptete das Buch komplet gelesen zu haben, hat aber durchgehend den Namen einer Hauptfigur falsch geschrieben.

Nebenbei, ein paar stellen in dem letzten Harry Potter Band könnten ein bisschen vom Herr der Ringe inspiriert sein. Die Horcruxe haben eine ähnliche Funktion wie der eine Ring, in den Sauron ja einen großteil seiner Macht packte (so dass er ohne Zerstörung des Rings nicht sterben konnte). Der Ort an dem einer Der Horcruxe versteckt war (Insel auf einem See in einer Höhle) hatte eine gewisse Ähnlichkeit zu dem Ort an dem Gollum mit dem Ring lebte, bis Bilbo ihn (in Der kleine Hobbit) fand. Etwas weit hergeholt von mir wäre es wohl Dumbledores Tot und Sturz vom Astronomieturm mit dem Sturz Gandalfs von der Brücke von Moria zu vergleichen. Ich glaube ich hatte noch ein paar weitere Ähnlichkeiten gefunden, die mir jetzt gerade allerdings nicht mehr einfallen.

Lykurg
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Di 20. Sep 2005, 10:41 - Beitrag #98

Die einzig richtige Lesart der Harry-Potter-Reihe liegt doch in ihren Parallelen zur Zeitgeschichte. Im ersten Band, auf der Chocolate-Frog-Karte von Dumbledore, wird er als Bezwinger des bösen Zauberers Grindelwald im Jahr 1945 bezeichnet. Dabei wird aber nichts über seine Verbündeten in dieser Zeit gesagt. Der Phönix-Orden war zur Bekämpfung Voldemorts da, die Mitglieder des Ordens in der jüngeren Generation sind (wie im sechsten Band auf dem Foto zu sehen). Dumbledores wahrscheinlichster Verbündeter in seinem ersten großen Magierkrieg war sein steinalter^^ Freund Nicholas Flanell. Der allerdings spielte später keine große Rolle in der Zaubererwelt und plante am Ende des ersten Bandes sogar, sich in den einzig irreversiblen Ruhestand zurückziehen...

Hmm, nach einem Sieg 1945 verabschiedet sich eine alte Macht in die Bedeutungslosigkeit, während eine andere versucht, das Zusammenleben der Zaubererwelt auf friedlicher Basis zu gewährleisten. Sie kann aber nicht verhindern, daß eine ihr entgegengesetzte Führungsmacht aufkommt, viele Vasallen an sich bindet und mit Gedankenkontrolle, Folter und vielfachen Morden eine Weltherrschaft erstrebt. Dann aber scheitert sie und verschwindet - völlig unerwartet, an Winzigkeiten, die aber strukturell bedingt sind, für eine Reihe von Jahren, um nun neu das Haupt zu erheben...

So, jetzt haben wir eine exklusive Neudeutung für diesen Thread. (Um es noch deutlicher zu machen: USA, England, UdSSR.) [/ironie]

Feuerkopf
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Di 20. Sep 2005, 11:08 - Beitrag #99

Ich empfand den Realitätsbezug in Harry Potter V als besonders stark.
Da wurden Ängste geschürt, Spitzeleien beschrieben, eine widerwärtige Aufsichtsperson nach Hogwarts geschleust. Erinnerte mich sehr an die Hysterie in den USA nach den Anschlägen vom 11. September und das skrupellose Aushölen der bürgerlichen Rechte durch die Regierung.
Es war ein Buch über zivilen Ungehorsam und Mut in Zeiten der Repression.

Oder habe nur ich das so gesehen?

In Band 6 wird dann endgültig die Brücke zur "realen" Welt geschlagen.

Lykurg
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Di 20. Sep 2005, 11:49 - Beitrag #100

Feuerkopf, ja und nein. Daß die Intrigen und das Spitzelsystem in HP5 beeindruckend realistisch und sehr beängstigend war, darin stimme ich dir auf jeden Fall zu. Und zu dem 9/11-Schluß kam ich deshalb nicht, weil ich von Anfang an davon ausging, daß Dorothy Umbridge in irgendeiner Weise einen engen Draht zu Voldemort hat. Wenn man allerdings Fudge und Umbridge 'nur' als übersteigerte Gerechtigkeitshüter sieht - und Dumbledore stellt ja jedenfalls Fudge einmal eindeutig als solchen hin - ist deine Sichtweise bestechend.

Ich finde, daß der sechste Band demgegenüber eher eine Abkehr von der Realität bedeutet. Gerade in seiner Nebeneinanderstellung ("The Other Minister" etc.) wird eine deutliche Trennung der Welten vollzogen. Die Machtpolitik innerhalb der Zaubererwelt ist zwar noch deutlicher dargestellt, das hängt aber nur mit der veränderten (gereiften) Wahrnehmung Harrys und den gesteigerten Verständnisfähigkeiten seiner (gleichaltrig gedachten) Leser zusammen. Dagegen bilden die Horcruxe und die gesammelten Erinnerungen ein festes Standbein des sechsten Bandes in der magischen Welt, das ich nicht mit einer Entsprechung in der Realität auflösen kann. Für mich ist daher der sechste Band daher wieder ein echter Magie-Roman nach dem Sportbuch 4 und dem Thriller 5.

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