Exakt. Während seines Lebens bei den Dursleys hat Harry gelernt, völlig auf sich selbst gestellt zu handeln. Das führt eben auch dazu, dass er gar nicht erst auf die logische Idee kommt, jemanden um Hilfe zu bitten, sich jemanden anzuvertrauen.
Ein Punkt, der übrigens - abgeschwächt - auch auf Hermione zutrifft. Man erfährt nur sehr wenig über ihre Zahnarzt - Eltern, aber daraus kann man schon vermuten, dass Hermione hauptsächlich über ihre Leistung definiert wird. So als sie einfach über Weihnachten in Hogwarts bleibt, mit der Behauptung, sich auf Prüfungen vorzubereiten: "Das ist etwas, dass sie verstehen". Sie versucht stets, ihre Probleme erst einmal allein zu lösen, indem sie die Bibliothek stürmt. Erst danach wendet sie sich ratsuchend an die Lehrer. Der wahnsinnige Leistungsdruck, unter den sie sich selbst setzt - sie ist ebenfalls ein Fall von traumatischer Kindheit, nur eben weniger offensichtlich.
Was nun Dumbledores Gründe für sein Verhalten in so vielen Dingen angeht: dafür müssen wir noch zwei Jahre warten. Frühestens dann ist Band 7 fertig.
Ron hingegen entstammt einer laut-fröhlichen Großfamilienidylle, die im 1. Buch wirklich noch sehr idyllisch erscheint und dann nach und nach zu einem erstaunlich realistischen Bild einer Familie mit ureigener Dynamik und Problemen wird. Der Vater, der seine Kinder nicht erzieht und ihnen eher Kumpel als Vorbild ist, ein idealistischer Träumer, für dessen Phantastereien alles, auch seine Familie, zurückstehen muss. Trotzdem auch ein Mann, der nicht zögert für die erdnaheren seiner Ideale zu kämpfen.
Die tüchtige Mutter, die den ganzen Laden schmeißt. All ihre Kraft darin investiert, dass ihre Kinder es mal "besser" haben. Die nicht akzeptiert, dass ihre Babys nun mal individuelle, sehr starke Persönlichkeiten sind, die ihren eigenen Weg gehen wollen. Trotzdem ist sie sehr stolz, weil nun mal auch alle auf ihre Weise sehr erfolgreich sind. Percy finde ich wahnsinnig interessant. Sein skrupelloser Ehrgeiz, der ihn vor keinen Abgrund scheuen lässt, blind für die Wahrheit, für alles, dass ihn von seinem Ziel ablenken könnte - wow!
Alle Hauptfiguren der Bücher sind ausgezeichnet gearbeitete Charaktere. Allesamt überzeichnet, aber das ist nun mal essentiell für Rowlings Bestreben, Humor in gleichen Teilen mit Grusel zu kombinieren, ohne ins Lächerliche abzugleiten. So muss Harry ein bisschen zu viel leiden, Hermione ist ein Tick zu genial, Ron ein klein wenig zu linkisch, Dumbledore einen Hauch zu weise, Hagrid minimal zu pathetisch, Malfoy um Haaresbreite zu hinterhältig...