Ein altes Volkslied, einfach grauenhaft!

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Maglor
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Mi 21. Dez 2005, 19:59 - Beitrag #1

Ein altes Volkslied, einfach grauenhaft!

Ein "Volkslied", Autor unbekannt

Ich hab die Nacht geträumet
wohl einen schweren Traum:
es wuchs in einem Garten
ein Rosmarienbaum.

Ein Kirchhof war der Garten,
das Blumenbeet ein Grab,
und von dem grünen Baume
fiel Kron und Blüten ab.

Die Blüten tät ich sammeln,
in einen goldnen Krug,
der fiel mir aus den Händen,
daß er in Stücken schlug.

Draus sah ich Perlen rinnen
und Träupflein rosenrot.
Was mag der Traum bedeuten? -
Herzliebster, bist du tot?


Dieses bittersüße Grauen... ;)
MfG Maglor

Lykurg
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Do 22. Dez 2005, 00:46 - Beitrag #2

Der Autor könnte August Zarnack sein, es ist jedenfalls in seinen 'Deutschen Volksliedern' (1820) erstmals gedruckt nachweisbar.

Allerdings hast du hier (wie auch andernorts^^) in der vierten Strophe einen amüsanten Vertipper drin (Träupflein für 'Tröpflein') - dachtest du an 'Tränlein' oder 'Träublein'?^^

Nun ja, romantisches Bildprogramm eben. Der volle Abwasch. Bei Heine wird das dann ironisiert:[size=-1]
Zitat von Heine:Ich hab im Traum geweinet,
Mir träumet, du lägest im Grab.
Ich wachte auf, und die Träne
Floß noch von der Wange herab.

Ich hab im Traum geweinet,
Mir träumt', du verließest mich.
Ich wachte auf, und ich weinte
Noch lange bitterlich.

Ich hab im Traum geweinet,
Mir träumte, du bliebest mir gut.
Ich wachte auf, und noch immer
Strömt meine Tränenflut.
[/size]

Maglor
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Do 22. Dez 2005, 14:48 - Beitrag #3

Tatsächlich handelt es sich um ein wahres Volkslied, kein künstliches Volkslied der Romantik. Daher ist der Autor auch wirklich unbekannt.
Die Sache mit den Träupflein ist ein Tippfehler. Es muss Tröpflein heißen. :crazy:
MfG Maglor

Lykurg
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Do 22. Dez 2005, 16:09 - Beitrag #4

Maglor, abgesehen davon, daß die Gegenüberstellung "wahres Volkslied" - "künstliches Volkslied" reichlich fragwürdig ist, weil auch die über Jahrhunderte gewachsenen und umgeformten Lieder üblicherweise einen (nur eben unbekannten) Autor haben, die romantische Topik dieses Liedes aber die Annahme einer älteren Herkunft nicht gerade stützt^^, wären für eine solche Zuweisung weitere, deutlich abweichende Quellen wünschenswert (mit ausgetauschten Wörtern oder sogar vollständig fehlenden/hinzugefügten Strophen). Das Lied taucht nach der Zarnack-Ausgabe auch in Erlachs "Die Volkslieder der Deutschen" Bd. 4 (1835) auf, ob in einer abweichenden Fassung, wäre zu klären.

Maglor
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Do 22. Dez 2005, 17:11 - Beitrag #5

Vielleicht ist diese 70alte, unwissenschaftliche Gedichtesammlung, in die ich gelegentlich einen Blick werfe, auch einfach nicht so ganz genau mit den Quellenangaben. ;)

Lykurg
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Do 22. Dez 2005, 17:19 - Beitrag #6

70alte, unwissenschaftliche Gedichtesammlung
Der Echtermeyer von '35? :P Da sind Texte drin, jaja, das waren noch Zeiten, jajajajaja!


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