Welches Buch lest ihr gerade? (II)

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Ipsissimus
Dämmerung
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Mo 11. Jan 2016, 16:25 - Beitrag #781

Thomas Pynchon
Natürliche Mängel

Inherent Vice (englisches Original),
Turtleback Books, 2014

gelesene Fassung: Rowohlt E-Book, 2014
Nikolaus Stingl (Übersetzer)

Wer frühere Bücher Pynchons kennt, etwa "V" oder "Die Versteigerung von Nr. 49" oder "Die Enden der Parabel", weiß um die Stärken von Pynchons Prosa: virtuos verwobene Handlungslinien, höchste Sprachbeherrschung und - wofern man geneigt ist, Anklänge ans Verschwörungstheoretische zu tolerieren - philosophischer Tiefgang vom Feinsten.

Eine Sache konnte Pynchons Büchern bislang allerdings nicht nachgesagt werden: Spannend waren sie definitiv nicht. Eher etwas für echte Literaturliebhaber, die sich liebend gerne schon mal durch 500 Seiten Langeweile arbeiten, wenn nur die literarische Kunstfertigkeit stimmt, was bei Pynchon, diesem Shakespeare der Moderne, zweifellos gegeben ist.

Entsprechend überrascht war ich während der Lektüre von "Natürliche Mängel". Ein waschechter Pynchon, wie er im Buche steht, aber zusätzlich ein beinahe schon absurd spannender Roman. Im Stil eines Philipp Marlowe, aber platziert vor dem Hintergrund der auslaufenden Hippieära kurz nach den Tate/LaBianca-Morden an den sonnendurchfluteten Stränden und in den rauchgeschwängerten Bars und Clubs rund um L.A., entfaltet sich um den zentralen Charakter, den professionellen Kiffer und Hippy-Privatdetektiv Doc Sportello ein Panoptikum menschlicher Abgründe, bei dem ab einem gewissen Punkt bei niemandem mehr entschieden werden kann, wer Opfer und wer Täter ist, und Doc verbraucht erhebliche Mengen Gras und LSD, ehe in dem Gewirr von Spukgestalten, Toten, die leben, und Lebenden, die schon nicht mehr leben, die Fratze einer sehr realen Veschwörung auftaucht, die mittlerweile selbst die Verschwörer zu fressen droht.

Sehr lesenswert, sowohl als "echter" Pynchon wie auch als verdammt spannende Kriminalgeschichte.

aleanjre
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Mi 13. Jan 2016, 20:41 - Beitrag #782

Klingt nach genau dem richtigen Schriftsteller für mein Erstkind. :pro: Ich denke, ich werde sie mit "Die Enden der Parabel" einsteigen lassen, da fand ich Leseprobe und Klappentext passender für sie. Werde zurückmelden, wie das Experiment ausgeht. :)

Feuerkopf
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Fr 15. Jan 2016, 17:01 - Beitrag #783

Nachdem ich neulich die Verfilmung gesehen habe, lese ich noch einmal Pratchetts "Ab die Post!" Ich glaube, ich werde mich nach und nach noch einmal durch die vielen Bücher fressen. Es ist gar zu unterhaltsam.

"Ab die Post" - "Going postal", angesiedelt im Scheibenwelt-Universum, erzählt vom ziemlich windigen Betrüger Feucht von Lipwig, der von Lord Vetinari damit beauftragt wird, das quasi nicht mehr vorhandene Postwesen Ankh-Morporks wieder auf die Beine zu bringen. Bewacht von einem Golem macht er sich ans Werk. Diese wahnwitzige Geschichte nacherzählen zu wollen, überfordert mich echt. ;)

Ipsissimus
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Mo 18. Jan 2016, 12:01 - Beitrag #784

Alea, für Pynchon sollte sie wirklich das Lesen lieben^^ der Mann schreibt nach meinem Dafürhalten weit über Nobelpreisniveau, und das merkt man den alten Sachen überdeutlich an^^ da wird nicht die geringste Konzession an Lesererwartungen gemacht^^

"Vineland" wäre auch ein ganz netter Einstieg.

aleanjre
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Mo 18. Jan 2016, 12:15 - Beitrag #785

Sie liest im Schnitt 1000 Seiten am Tag, wenn ihr nichts dazwischenkommt - an den Schultagen. Wochenende und Ferien schafft sie auch 2000. Sie ist Extrem- und Vielleserin, hat mit 14 Goethes Faust als leichte Entspannungslektüre mit in die Schulpause genommen. "Also sprach Zarathrustra" hat sie im Anschluss durchgelesen, auch wenn sie sich meiner Meinung anschloss, dass es sich anfühlte, als hätte der Autor einfach vergessen, seine Pillen zu nehmen. :shy: Immerhin hat sie die Kernbotschaft verstanden: Gott ist tot. :crazy: Sie liest mit Begeisterung englische Liebeslyrik des 19. Jahrhunderts, danach "Die Jungs von Burg Schreckenstein", anschließend Effie Briest, dann einen dystopischen Jugendbuchthriller, gefolgt vom 17. Re-Read ihres Lieblingswerks von Jodie Picoult, um sich zum Abschluss des Tages über Koeppens "Tauben im Gras" langweilen zu können. Sie hat schon eine Leseprobe von Pynchon genossen und freut sich sehr darauf. Ein Buch, bei dem die Sprache eher das Ziel ist als irgendeine Handlung, ist für sie das Äquivalent zu einer Tafel Schokolade. Da ist ja auch der süße Genuss das Ziel statt Nährstoffaufnahme.

Ipsissimus
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Mo 18. Jan 2016, 17:03 - Beitrag #786

na, dann schlag ihr nach Gravity's Rainbow doch auch mal "Unendlicher Spaß" von Wallace vor^^ ich habe dafür ein halbes Jahr gebraucht, dabei aber auch jedes Fremdwort und jeden Fachausdruck nachgeschlagen^^ Oder "Doktor Faustus" oder "Joseph und seine Brüder" von Thomas Mann^^ oder gehen wir gleich auf's Ganze, erst "Ulysses", dann "Finnegan's Wake", zuletzt "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit"^^

aleanjre
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Mo 18. Jan 2016, 17:32 - Beitrag #787

Ihr Erstkontakt mit Thomas Mann war nicht gut verlaufen, sie mochte den Stil nicht. Weiß gerade gar nicht mehr, welches Werk von ihm es war ... Auch mit Umberto Ecos "Der Friedhof in Prag" hat keine Gnade gefunden. Ulysses hat sie auf ihrem Sub und "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" hab ich noch im Keller. Ich such dann mal nach dem Unendlichen Spaß. :P

aleanjre
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Mo 18. Jan 2016, 18:40 - Beitrag #788

Hab mir das spaßige Buch auf Deutsch und Englisch angeschaut. Die Übersetzung ist wirklich, wirklich gut, trotzdem empfinde ich das Original sprachlich so viel angenehmer, dass ich mir lieber das zulegen werde.

Traitor
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Do 4. Feb 2016, 23:51 - Beitrag #789

Zitat von Ipsissimus:Eher etwas für echte Literaturliebhaber, die sich liebend gerne schon mal durch 500 Seiten Langeweile arbeiten, wenn nur die literarische Kunstfertigkeit stimmt, was bei Pynchon, diesem Shakespeare der Moderne, zweifellos gegeben ist.
Vielleicht nicht der passendste Vergleich, war Shakespeare bei all seiner Kunstfertigkeit doch auch ein gekonnt berechnender Crowd Pleaser, der sich dank der Beschränkungen seiner gewählten literarischen Formen auch und gerade auf Kurzweiligkeit verstehen musste und verstand. ;)
Die Verfilmung von "Inherent Vice" fand ich ziemlich belanglos und nicht an die literarisch wertloserer Vorbilder (eben jener Marlowe z.B.) heranreichend, entweder ist da auch inhaltlich viel verlorengegangen oder der Schreibstil ist doch der entscheidende Effekt.
Die Parabel möchte ich auch irgendwann mal lesen, aber ich bin ja derzeit schon froh, wenn ich das Tagespensum von aleas Tochter in 2-3 Monaten schaffe, und das bei leichter Lektüre...

Seit November dann auch nur, nebst immer noch nicht beendetem Yankee und ein paar Comics und sonstigem Kleinkram:

Steven Pinker - The Sense of Style: The Thinking Person’s Guide to Writing in the 21st Century Gelesen dank Empfehlung auf Language Log (ja, meine Papierseitenquote wäre sehr viel besser, wenn ich weniger Elektronenseiten konsumieren würde...), eine schöne Mischung aus (Sachtext-bezogenem) Style Guide, Kritik an und Satire auf das Genre der Style Guides sowie einer leichten Dosis Linguistik und Psychologie.

Neil Gaiman - Trigger Warning: Short Fictions and Disturbances Kurzgeschichtensammlung mit mehr oder minder deutlichem Horrorbezug. Gutes Gaiman-Niveau, aber manche Geschichten hätten vermutlich besser gewirkt, wäre man nicht durch diese thematische Einbettung bereits darauf vorbereitet, eine fiese Wendung zu erwarten.

Feuerkopf
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Di 9. Feb 2016, 13:00 - Beitrag #790

Habe am WE alle drei Bände von "Die Tribute von Panem" gelesen. Da ich die Filme nicht kenne, war ich nicht vorbelastet und konnte die Geschichte in einem Rutsch "fressen". Eine, wie ich finde, gut geschriebene und spannende Geschichte. Die Entwicklung der Heldin ist für mich nachvollziehbar, ihre zunehmende körperliche und seelische Verletztheit ist gut dargestellt, das Ende hat mich positiv überrascht.

Traitor
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Fr 12. Feb 2016, 18:04 - Beitrag #791

SF-Kurzgeschichten-Sammlung "Die imaginäre Größe", aufgelegt 1967 als "The Human Zero", deutsch 1978. Trotz namhafter Autorenliste (van Vogt, Asimov, Bradbury, Clarke) ziemlich enttäuschend. Die im Original titelgebende Geschichte von Erle Stanley Gardner ergibt nicht den allergeringsten Sinn, und selbst die im Deutschen titelgebende von Asimov und die der anderen großen Namen sind zwar einigermaßen interessant, aber auch durchweg unter dem gewohnten Niveau dieser Autoren.
Tja, der Serientitel "Super S.F." hätte mich halt warnen sollen...

MiriamGay
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Mi 17. Feb 2016, 10:38 - Beitrag #792

Ich lese gerade nicht sondern höre als Hörbuch "Der Circle" von Dave Eggers. Dabei geht es um eine futuristische Welt, in der Facebook, Google, Twitter und co. von einem einzigen Unternehmen übernommen und gesteuert werden. Jeder Mensch hat nur eine Internetidentität und nach und nach wird durch neue Erfindungen alles immer transparenter und überwachbarer.

Ist übrigens, wie ich gerade gelesen habe, ebenfalls eine Dystopie und könnte dich daher interessieren, oceanswife.

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Lykurg
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Mi 17. Feb 2016, 15:38 - Beitrag #793

Willkommen, MiriamGay!
Das klingt vom Thema her nicht besonders weit entfernt von der Gegenwart... selbst wenn es nicht ein einziges Unternehmen ist, die Verflechtungen gehen ja schon ziemlich weit, und überwachbar ist es sowieso. Man könnte sich auch fragen, ob die Illusion der Anonymität nicht viel riskanter ist als gesichertes Wissen darum, daß die eine Identität, die man hat, überwacht wird.

Nach jahrelanger Unterbrechung neu angefangen und inzwischen auf der Zielgeraden:

Herman Melville: Moby Dick (1851)
Nicht zu Unrecht einer der ganz großen Texte - getragen vom Wunsch einer widersprüchlichen Figur, das gesammelte Wissen seiner Zeit über Wale darzustellen, eingebettet in die Geschichte einer persönlichen Rache - grausam, verrückt und ein farbenprächtiges Bild einer glücklicherweise vergangenen Zeit. Die Exkurse (etwa ein ganzes Kapitel über die Farbe Weiß, eines über die Harpune uvm.) sind teilweise langatmig, tragen aber sehr zum Kolorit des Textes bei. Das Personal bleibt dabei sehr überschaubar - und selbst über die Hauptfiguren bleibt das meiste im Dunkeln. Vielleicht demnächst mehr.

Nebenher u.a. Ian Doescher:
William Shakespeare's The Phantom of Menace / William Shakespeare's The Clone Army Attacketh / William Shakespeare's Tragedy of the Sith's Revenge (alle erschienen 2015)
Doescher hat entsprechend der Reihenfolge der Filme zunächst IV-VI in Dramen umgesetzt, die ich aber noch nicht gelesen habe. Die Medienübertragung ist meines Erachtens sehr gelungen, einerseits bleiben diverse klassische Zitate trotz Blankvers dicht an der Vorlage, dann sind die Einfälle zur szenischen Umsetzung, Beiseitegesprochenem etc. gut, vor allem aber geht die Rollenkonzeption und -sprache teilweise weit über die Vorlage hinaus (ok, das ist eigentlich kein Kunststück, wohl aber, trotzdem eine Nähe zum Original zu bewahren). Eine der größten Änderungen ist, daß Jar Jar sich dumm stellt, um sien Ziel einer Kooperation der Völker von Naboo zu erreichen, daher im Gespräch mit anderen unvollständige Verse spricht, im Selbstgespräch aber vollständige und sprachfehlerfreie. Auch die jeweiligen Ticks, Dialekte und Besonderheiten anderer Figuren sind phantasievoll umgesetzt.

Maglor
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Fr 19. Feb 2016, 00:05 - Beitrag #794

Zitat von Lykurg:Die Exkurse (etwa ein ganzes Kapitel über die Farbe Weiß, eines über die Harpune uvm.) sind teilweise langatmig, tragen aber sehr zum Kolorit des Textes bei.

Super Sache, du hast offensichtlich eine ungekürzte Version als Lektüre. Ich hatte damals eine gekürzte Version. Die Geschichte hatte mich stark beeindruckt. Ich hätte wirklich Lust auf Diskussionen über Moby Dick.

e-noon
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Mi 29. Jun 2016, 15:00 - Beitrag #795

Julian Barnes - The sense of an ending. Schwer zu beschreiben, ohne zentrale Handlungselemente zu verraten, es gibt jedenfalls ein eher offenes Ende mit vielen Interpretationsmöglichkeiten. Die Geschichte beginnt mit einem jungen Engländer, der kurz vor dem Schulabschluss steht, zu einem Zeitpunkt, wo sich feste Gruppen unter den Schülern gebildet haben und eigentlich keine Überraschungen mehr zu erwarten sind; doch ein neuer Schüler, Adrian, schließt sich dem Protagonisten und seinen beiden Freuden an und ist ein ernster und bewunderter Kontrapunkt zu ihrem flapsigen, gewollt nihilistisch-sarkastischen Umgang. Es geht dann aber gar nicht um Schülerromantik, sondern um Erinnerungen an die Zeit des Colleges, die lange danach wieder einen Weg ins Erleben der Protagonisten finden und dieses Umkrempeln. Die Geschichte ist kurz, sehr dicht, sehr spannend und sehr schön geschrieben, das beste Buch, was ich dieses Jahr gelesen habe. Seit gestern sehe ich mich zu nichts anderem in der Lage, als fiebernd nach Interviews zu suchen, in denen Barnes vielleicht doch ein paar Hinweise auf die 'richtige' Interpretation gegeben haben könnte.

Lykurg
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Do 7. Jul 2016, 13:23 - Beitrag #796

Freut mich sehr, daß es dir so gefallen hat! :)
Ich lese witzigerweise seit gestern auch wieder einen Barnes, und zwar sein Nothing to be frightened of/Nichts, was man fürchten müßte (fiel mir in der Bücherhalle auf Deutsch in die Hände, und da ich grad ziemlich viel englisch las, siehe unten, sehe ich es als entspannend). In diesem stark autobiographisch geprägten Buch geht es um sein Verhältnis zum Tod und zur Religion, und insbesondere die Schriften von Montaigne und Browne, mit denen er sich in einem Abschnitt auseinandersetzt, waren sehr nah am Thema meiner Magisterarbeit vor ein paar Jahren, insofern eine interessante Wiederbegegnung für mich. - Bei einer Figur, die beiläufig auftaucht, fragte ich mich, ob sie ein Inspirationsgeber für Sense of an Ending gewesen sein könnte, ansonsten noch keine direkten Word-of-God-Passagen (wären für das Buch auch unpassend ;) ) - falls doch, offenbare ich sie.

Zuvor Kazuo Ishiguros The Buried Giant
(das bei mir trotz Bestellung und Anlesens im Moment des Erscheinens dann doch über ein Jahr herumgelegen hat, bevor ichs dann zügig durchlas) - spielt in einem postarthurischen England, will sagen, es leben noch Figuren, die sich an König Arthur erinnern können, aber alles ist in einen rätselhaften Nebel des Vergessens getaucht, und ein altes Ehepaar bricht auf, um seinen Sohn zu suchen, der an einen Ort gezogen ist, von dem sie nicht genau wissen, wo er liegt - insofern eine Variation von Ishiguros Lieblingsthema des unzuverlässigen Erinnerns und Erzählens; erstmals aber in einem Fantasy-Setting, innerhalb dessen es sich nicht mehr um ein persönliches, sondern eher ein allgemeines Schicksal handelt. Die Auflösung des Ganzen ist wieder einmal bitter-sweet, und wieder rätselhaft.

und
David Webers Hell's Foundations Quiver
als nunmehr achter Teil der Safehold-Saga um die mittels Gehirnwäsche in einem Zustand religiös verankerter Technologiefeindlichkeit festgehaltene Restmenschheit auf einem fernen Planeten nach Ausrottung durch Außerirdische; dank versteckter Dokumente und des Eingreifens eines Androiden ist die unbedingte Herrschaft der Kirche nun im Zusammenbruch begriffen, und im Schnelldurchgang wird in wenigen Jahren eine technologische Entwicklung etwa vom 15. ins frühe 20. Jahrhundert durchschritten. Allerdings verstärkt sich im achten Band noch einmal die Tendenz Webers zu großen Schlachtengemälden und sehr detailreichen Beschreibungen waffentechnischer Entwicklungen, die mich verglichen mit den Charakterentwicklungen innerhalb des eigentlich spannenden Settings dann doch eher weniger interessieren - insofern eher ein Dabeibleiben, um zu wissen, was passiert, und in der Hoffnung, daß die Charaktere, die ich schätzen gelernt habe, dann doch noch mal ein bißchen Entfaltungsmöglichkeit bekommen...

Tristessa
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Mo 11. Jul 2016, 17:22 - Beitrag #797

Hallo zusammen,
ich lese gerade "Ungeduld des Herzens" von Stefan Zweig, bin im Moment in der Mitte des Romans und hellauf begeistert. Ich hatte Zweig immer als etwas verkitschten Autoren abgespeichert - zuletzt mit 14 etwas von ihm gelesen - und tatsächlich ist er ja, wenn man die Lektüre ernst nimmt, eher das Gegenteil! Seltsam... Dabei war ich eigentlich schon immer eine aufmerksame Leserin. Nun ja, manchmal ist es ja auch schön, etwas wieder- oder neu zu entdecken. Ähnlich ging es mir mit Spinat und Brokkoli. Ich glaube, mein Gehirn hat sich in der Pubertät noch gründlicher umstrukturiert als ohnehin schon üblich :D

Lykurg
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Di 12. Jul 2016, 00:22 - Beitrag #798

Hmm, als verkitscht habe ich ihn eigentlich nie empfunden, Schachnovelle, Sternstunden der Menschheit etc. zeichnen sich für mich eigentlich gerade eher durch klare psychogrammatische Zeichnung aus. Ok, gerade Ungeduld des Herzens geht vielleicht dann doch ein bißchen in die Richtung, aber die schwermütige Grundstimmung (passend zu deinem Namen) spricht dann doch eher dagegen...

Tristessa
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Do 14. Jul 2016, 09:21 - Beitrag #799

Ja, genau, das ist es ja gerade. Ich fand es einfach verrückt, wie seltsam unpassend ich das Buch als Jugendliche charakterisiert und dann auch abgespeichert hatte... Naja, jetzt habe ich meinen Weg zu Stefan Zweig ja doch gefunden, also ist alles gut.

Lykurg
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Do 14. Jul 2016, 13:53 - Beitrag #800

Komisch, ja - aber Geschmack wandelt sich über die Jahre, zum Glück, wie ich oft bei mir feststelle. ;)

Hast du den Stefan-Zweig-Film gesehen, der vor ca. nem Monat lief? Der hatte ja ziemlich gute Kritiken (und schöne Bilder...)

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