Welches Buch lest ihr gerade? (II)

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Amy
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Fr 7. Jun 2013, 22:14 - Beitrag #621

Vorgestern "Das Schweigen der Lämmer" von Thomas Harris gelesen. Gehöre wohl zu den wenigen Menschen, die den Film nicht kennen - habe es in dem Fall aber nicht bereut, weil ich im Buch nicht vorhersagen konnte, was als nächstes passiert. Unerwartet spannend! Zwar sehr nüchtern geschrieben, aber spannende Hanndlung. Natürlich sind die Hannibal/Clarice-Gespräche sehr gut. Aber an sich hatte ich mit mehr und schlimmerer Hannibal-Action gerechnet. Musste ja einen Grund geben, warum mir meine Eltern den Film bis ins Teenager-Alter so lange verboten haben, bis ich das Interesse daran verloren habe :D Wirklich schockiert war ich mit nichts im Buch. Da hat mich jetzt vielleicht sogar schon die NBC-Serie zu "Hannibal" abgebrüht. Finde es sehr schön, dass ich dank dem Buch jetzt die ganzen versteckten Zitate in eben jener Serie erkenne :)

Habe mir nun heute "Roter Drache" von Thomas Harris vorgenommen. Wenn ich schon dabei bin ;) Sind erst ein paar Seiten (um die vierzig), aber ... puh. Ich bin auf eine ganz verquere Art und Weise emotional mit Will Graham verbunden; das Problem habe ich schon in der Serie, weswegen sie mir ziemlich nahe geht. Dachte, im Buch wäre das nicht der Fall, aber da habe ich mich leider getäuscht. Deswegen ist es für mich etwas "schmerzhaft" zu lesen, wie Will schon bei Beginn des Buches mitgenommen ist. Schade, dass ich die Geschichte hier aufgrund des Spielfilms schon kenne, aber ich hoffe doch noch auf eine große Ladung Spannung! :)

Amy
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Mo 17. Jun 2013, 00:29 - Beitrag #622

"Roter Drache" fertig gelesen, das ich gar nicht soo schlecht fande - hatte meine Erwartungen zumindest sehr niedrig geschraubt, nachdem Lani nicht so überzeugt schien (oder täusche ich mich?). Sehr schön fand ich die Rückblicke von Francis Dolarhyde, die wohl mehr als deutlich zeigen, wie eine psychisch gestörte Persönlichkeit entsteht. Ich musste dabei sehr oft an eine meiner ersten Psychologiestunden denken, in denen es um die Entwicklung von Kleinkindern geht und - sozusagen grob ausgedrückt - welche psychische Erkrankung entstehen kann, wenn man dieses oder jenes in dieser oder jener Phase falsch macht, wie beispielsweise die Bestrafung von Kleinkindern, die ihre Genitalien zeigen, bzw. die gegengeschlechtlicher Gleichaltriger "erkunden". Um zurück zum Thema zu kommen: Dolarhyde hat da leider einen negativen Jackpot geknackt.

Mein Mitleid war groß für ihn. Reichlich gab es aber auch für Will Graham, mit dem ich empathisch immer ein bisschen auf der gleichen Wellenlänge schwimme. Bisher habe ich nur zwei Harris-Bücher gelesen, aber bisher ist er der Charakter, in den ich 1:1 schlüpfen kann, weswegen er so interessant für mich ist. Demnächst wird dann noch "Hannibal Rising" nachgeholt - wenn auch ohne Will. Erstaunlicherweise mochte ich das Filmende von "Roter Drache" weitaus lieber, als das Buchende. Letzteres war so zack-zack-vorbei. Ich hatte es vorhin im Zug gelesen, als ich gerade ausgestiegen bin und hatte dann das Gefühl, auf dem Weg zum Gleis ein paar Seiten übersprungen zu haben, weil es so schnell vorbei war. (Ich muss später WIRKLICH mal schauen, ob ich da was übersprungen habe, weil es sich so kurz anfühlte.) [spoiler]Im Buch erledigt Molly ihn ja ziemlich schnell. Da ist er nur das böse Monster, das auftaucht und ohne Tamtam niedergestreckt wird. Im Film - das ist wirklich die einzige Szene, die mir auch nach Jahren noch sehr lebhaft im Kopf hängengeblieben ist - bringt Francis den Sohn von Molly in seine Gewalt und droht ihn umzubringen. Will nutzt seine Empathie und hat Francis längst durchschaut; letztendlich bringt er Francis ganz aus dem Konzept, indem Will mit seinem Sohn so herablassend spricht, wie einst die Großmutter zu Francis. Das fand ich einen wirklich guten Schachzug und war einfach ein interessantes Ende. Im Buch fehlte mir die Kommunikation zwischen Will/Francis.[/spoiler]

Amy
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Di 18. Jun 2013, 22:05 - Beitrag #623

Habe jetzt doch (noch?) einen Bogen um "Hannibal Rising" gemacht und lese jetzt stattdessen "Das Hannibal-Syndrom: Phänomen Serienmord" von Stephan Harbort. Dachte mir, das wäre eine nette Abwechslung zwischen all den Romanen mit Serienkillern. Bisher gefällt es mir ausgesprochen gut - wenn man "gut" in diesem Zusammenhang sagen kann. Ich schätze, dass es sich noch steigern und weitaus grausamen werden wird.
In dem Buch will der Autor das Klischee-Denken in Bezug auf Serienkiller, geprägt durch amerikanische Serien/Filme, widerlegen. Beispielsweise, dass Serienkiller nur Menschen mit dem selben ethnischen Hintergrund töten. (Hatte das in "Schweigen der Lämmer" gelesen und fand das ja äußerst interessant - war wohl auch zu utopisch, hier so klar eine Schublade zu öffnen, aber ein bisschen bin ich schon enttäuscht und fühle mich "belogen" ;))

Im Mittelpunkt von "Das Hannibal-Syndrom" stehen - auch eine nette Abwechslung zu all den FBI-Filmen made in Hollywood - deutsche Serienkiller, über die der Autor ausgiebig nachgeforscht und zahlreiche Interviews geführt hat. Bisher bin ich erst beim ersten Fall, einem Mann, der willkürlich Frauen ermordete, dann 15 Jahren weggesperrt war und schließlich wieder auf freien Fuß kam, weil er sich ja sooo gebessert hat, was zahlreiche Psychologen bestätigten. Dabei sagte der Täter selbst Jahre zuvor, dass er wieder Frauen töten wird, sobald er freigelassen wird. Diese Aussage wird dann Realität, nachdem er wieder auf freien Fuss ist. Wie gesagt, ich bin erst beim ersten Fall und habe den noch nicht komplett gelesen, aber es ist schon ein sehr unangenehmes, seltsames Gefühl, in ganz nüchternen Worten eines Mörders zu lesen, warum er sein Opfer von vorne statt von hinten erwürgt hat und warum er sich für diese Vorgehensweise entschieden hat, etc. Aber ich stelle mich wirklich noch auf härtere Fälle ein, nachdem das bereits im Vorwort angedeutet wurde. Mal sehen, ob ich "durchhalte" oder mir dann doch lieber eine Pause gönne und "Hannibal Rising" anfangen. Psychologisch interessant ist es in jedem Fall, ich weiß nur nicht, ob meine Gefühle da bis zum Schluss mithalten.

Anaeyon
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Di 18. Jun 2013, 22:31 - Beitrag #624

Da ich meine A Song of Ice and Fire Bücher gerade nicht lesen will, weil ich die TV-Version eh im Kopf habe und es mir für Tolkien zu warm ist, etwas leichtere Lektüre:

"Er ist wieder da" von Timur Vermes, in dem Hitler im modernen Berlin aufwacht. Bisher ist es tatsächlich eine gelungene Aneinanderreihung von Schenkelklopfern, die ich so nicht erwartet hätte. Ich habe es gerade erst angefangen, vll. schreibe ich nochmal was dazu, wenn ich es durch habe. Ist der Rest allerdings so gut wie bisher, wäre es sicherlich keine Zeitverschwendung, wenn auch kein Muss.

Traitor
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Fr 21. Jun 2013, 11:33 - Beitrag #625

Nachdem Otherland endlich fertig ist (das Ende löst alle Stränge objektiv gesehen hinreichend auf, ist aber mit langen Erklärungsmonologen und zu vielen glücklichen Fügungen doch etwas unelegant):

Jakob Arjouni - Chez Max
Ganz nette Dystopie-Geschichte mit einigen lustigen und/oder fiesen Ideen, aber unsauber verortet irgendwo zwischen Karikatur und ernstgemeinter Subversion und mit eklatanten Mängeln:
  • Während die großen Dystopien zwar auch stets klare Agenden verfolgten, aber dabei auch Interesse für ihre in sich geschlossenen Welten wecken, wirkt Arjounis Werk wie reine Illustration politischer Meinungen.
  • Damit verbunden wirkt die grenzenlos naive Regimetreue des Erzählers (zu dem siehe auch unten, aber auch implizit der meisten Nebenfiguren) einfach unglaubwürdig.
  • Die Tagesaktualität der Anlässe vieler extrapolierter Details schreit einen geradezu an, manches wäre vielleicht besser in einer Zeitungskolumne als einem Roman aufgehoben gewesen.
  • Die Innenperspektive des Erzählers ist aufgrund dessen mäßig kohärenter Gedankengänge ziemlich nervig.
  • Wenn ein Ich-Erzähler Exposition über Welthintergründe machen soll, braucht es dafür eine metatextuelle Rechtfertigung (Chronikschreiber, Brief für die Nachwelt...), sonst ist es jedes Mal ein Bruch.

Immerhin (trotz Max) flüssig zu lesen, und es wird deutlich besser, als es sich auf die Konfrontation mit Chen zuspitzt. Zwischenmenschliches liegt Ajourni wohl besser als die großen Zusammenhänge, vielleicht sollte ich also nochmal einem seiner geerdeteren Bücher eine Chance geben.

Dann:
Eoin Colfer, "And Another Thing", angeblicher 6. Anhalter-Band. Anfang sehr holprig, mal sehen, ob noch was draus wird.

Amy
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Do 27. Jun 2013, 19:18 - Beitrag #626

Habe beim "Hannibal Syndrom" erst einmal eine kurzzeitige Pause eingelegt. Ich lese ja hauptsächlich morgens auf dem Weg zur Arbeit ... und irgendwie ist es nicht der beste Start in den Tag, um von Serienkillern detailiert erzählt zu bekommen, was, warum und wie sie getötet haben. Gut geschrieben und interessant, ja. Aber zumindest für mich nicht morgens geeignet. Nicht, weil mir das irgendwie auf den Magen schlägt, sondern weil es mich emotional einfach blockiert/belagert/angreift und ich den ganzen Tag gedämpfte Stimmung habe.

Daher habe ich nun "Hannibal Rising" von Thomas Harris dazwischengeschoben. Bisher gefällt es mir sehr gut. Auch wenn ich mir einbilde, dass der Schreibstil nüchterner geworden ist? Bilde ich mir vielleicht auch nur ein, weil ich jetzt dazwischen ein anderes Buch gelesen habe.

Amy
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Di 2. Jul 2013, 20:09 - Beitrag #627

"Hannibal Rising" war ganz unterhaltsam - ich fand es nur stellenweise etwas kitschig, wenn Hannibal und Lady Murasaki miteinander gesprochen haben ;) Ansonsten hatte es einige wirklich gute Stellen. Ironischerweise hat sich Robert Lecter trotz weniger Szenen sehr schnell in mein Herz geschlichen. (Hoffe jetzt sehr, dass sie ihn in der "Hannibal"-Serie mit David Bowie besetzen können, wie Bryan Fuller es sich wünscht.)

Ehe ich "Das Hannibal-Phänomen" weiterlese, habe ich jetzt "Der kleine Prinz" angefangen (bzw. bin dank der "Dicke" verständlicherweise fast durch), weil ich das bisher noch nicht kannte. Ich wusste, worum es geht, aber hatte es noch nicht gelesen. Finde es sehr schön, auch wenn ich mir womöglich mehr erwartet hatte. (Tränen in der Straßenbahn musste ich mir trotzdem schon zweimal verkneifen :P )

Traitor
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Mo 15. Jul 2013, 20:55 - Beitrag #628

Orson Scott Card - Ender's Game, siehe auch.

Terry Pratchett - Maskerade
Hatte ich von der Erstlektüre (vor relativ 10 Jahren?) als etwas schwächeren Scheibenwelt-Band im Kopf. Ist wohl auch kein Serienhighlight, aber wie alle Bände der "klassischen Phase" weitgehend tadellos. Höchstens kann man kritisieren, dass es gegenüber den früheren Hexen-Bänden besonders stark an der Vorlage klebt - aber da Hexen drin sind, ist das auch egal. ;)

Amy
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So 21. Jul 2013, 20:54 - Beitrag #629

Zitat von Amy:Mit "Faithful Place" von Tana French angefangen - aber ich merke schon, wie ich mich ganz unbewusst dagegen sträube, es zu lesen ... also so richtig. Weil es mein letztes Buch von ihr ist und wenn ich das gelesen habe, war's das erst einmal mit Tana. Außer sie schreibt jetzt dann endlich ein neues Buch für die "Dublin Murder Squad"-Reihe. Würde ihr dafür auch einen Kuchen packen :D

Wupps! Ging auf dem Kindle etwas unter. Heute im Zug zu Ende gelesen - war sehr gut. Kann mir aber vorstellen, dass es bei Amazon & Co wieder einige Negativ-Kommentare bekommen hat, weil das Ende - wie in jedem Buch von Tana French - einfach nicht zu Ende erzählt wird. Mich stört das nicht; damit wird keine Tür vor Geschichte und Charakteren zugeschlagen.

Dann noch schnell die Kurzgeschichte "Eerie Spook" von Monika De Giorgi, einer Bekannten, gelesen. Sehr knuffig, hatte aber mit einem Punkt nicht gerechnet, obwohl ich weiß, was Moni sonst so schreibt. War aber eine gute Überraschung :D Im Großen und Ganzen geht es um Sam, der wegen Depressionen und einer Schreibblockade eine Weile aufs Land zieht, wo plötzlich eines Tages ein kleiner Hund vor seiner Tür steht. Im Dorf erfährt er dann, dass der Hund schon längst verstorben ist und eine Geistererscheinung ist. Schlauer wird er schließlich, als er den Besitzer des toten Hundes, Paul, trifft, der sich zusätzlich als sein Traummann herausstellt :D

Weil ich mit Anne Rice und ihren Vampiren aufgewachsen bin, will ich mich jetzt endlich mal richtig ihren Hexen widmen. Habe nur ein Buch aus der Mayfair-Reihe zum Teil gelesen, aber weil es irgendein Teil war und ich die vorherigen Bücher nicht kannte, blieben da einige Lücken und fehlte der Zugang zu den Charakteren. Meine Schwester hat mir auf einem Flohmarkt eine ziemlich zerlese Ausgabe von "Hexenstunde" ergattert, auf die ich jetzt ganz neugierig bin. Werde da aber wahrscheinlich ewig für das Buch brauchen und wieder reichlich nebenbei lesen - so ein dickes Buch ist einfach blöd für den Transport in Mini-Arbeitstasche.

Traitor
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Fr 26. Jul 2013, 00:50 - Beitrag #630

Orson Scott Card - Speaker for the Dead
Ziemlich naive Vorstellung dazu, wie wenig sich Religionen über 3000 Jahre verändern würden... Ansonsten gut und spannend, weniger fokussiert und irgendwie auch weniger besonders als Ender's Game, aber wohl durchaus das reifere und vermutlich auch, wie viele sagen, das noch bessere Buch.
Mehr dazu dann nach Auslesen im Extra-Thread.

Ipsissimus
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Fr 9. Aug 2013, 14:59 - Beitrag #631

Paolo Bacigalupi
Biokrieg

Heyne-Verlag, März 2011
Hannes Riffel, Dorothea Kallfass (Übersetzer)

Hatte mir das Buch mal schnell auf den Kindle gezogen und wollte es nach ein paar Seiten Lektüre ebenso schnell wieder löschen - den Schreibstil des Autors, wenigstens der deutschen Übersetzung zufolge, als "hölzern" zu beschreiben, erschien mir als zu viel Beanspruchung meines Wohlwollens.

Aber irgendwas tickte im Hinterkopf und so laß ich weiter. Zäh, zäh, der Sprachstil macht es einem nicht wirklich einfach, auch wenn es etwas besser wird, aber so ganz allmählich dammerte mir, dass sich hier eine faszinierende Welt vor mir ausbreitet.

Es ist eine verheerende Welt, die Bacigalupi entwirft. Sie erinnert sofort an Gibsons Neuromancer-Welt, irgendwann zwischen heute und in hundert Jahren, aber wo Gibsons Welt wenigstens noch als pittoresk gelten darf, ist Bacigalupis Welt einfach nur eine Hölle. Eine selbstgemachte Hölle, in der nur noch rudimentäre Reste von Technik funktionieren. Seefahrt wird wieder mit Segelschiffen betrieben, es gibt Tretkurbelcomputer, weil Muskelkraft das einzige Mittel ist, um noch Energie zu erzeugen, Luftfahrt ist eine verlorene Kunst und alles, was auch nur entfernt mit Metall zu tun hat, ist weg. Weg aufgrund einer kleinen Seuche, die von selbstgebastelten kleinen Tierchen ausging, die - als Nebenwirkung - einfach einen unstillbaren Appetit auf Metalle aller Art entwickeln und diese in Rost umwandeln.

Selbstgebastelte kleine Tierchen. Die eine Ausnahme noch funktionierender Technik ist die Genmanipulation. Diese Erde wird von großen Konzernen beherrscht, die alle in irgendeiner Nische ihre genetischen Patente dazu verwenden konnten, Monopolstellung zu erlangen. Natürlich führen sie Krieg um Ressourcen und Patente, und sind im Allgemeinen deutlich mächtiger als die wenigen übrig gebliebenen Nationalstaaten, mit der einen Ausnahme Thailand. Das Königreich Thailand ist nämlich das einzige Land der Erde, das noch über unmanipulierte genetische Ressourcen verfügt und den Markt deswegen regelmäßig mit unverdorbenen Produkten beliefert, natürlich zu horrenden Preisen.

Die handelnden Personen, oje. Da ist niemand sympathisch, niemand hat menschenfreundliche Motive, die meisten müssen als beschissene Schweinehunde klassifiziert werden. Die eine Ausnahme davon sind die sogenannten "Neuen Menschen", genmanipulierte, künstlich in Biotanks hergestellte menschenähnliche Wesen, die als Arbeits- und Erotiksklaven missbraucht werden.

Wenn das die Zukunft ist, dann gute Nacht^^ Wirklich lesenswert, sofern man über die wirklich störende sprachliche Unzulänglichkeit hinweg lesen kann.

Traitor
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So 11. Aug 2013, 15:05 - Beitrag #632

Den "Speaker" habe ich vor 2 Wochen (?) ausgelesen, jetzt komme ich auch mal dazu, etwas dazu zu schreiben - aber siehe dazu den Card-Thread. Bei "Xenocide" (Ender 3) habe ich dann nur das erste Kapitel angefangen, bevor ich vom Teufel in Versuchung geführt wurde:

Mike Carey + Illustrators - Lucifer Comic-Serie in 12 Sammelbänden. In Neil Gaimans "Sandman" taucht Lucifer als Nebenfigur auf, anfangs als gewöhnlicher Satan und Herr der Hölle, doch dann hat er darauf keine Lust mehr, geht in Rente und macht stattdessen eine Piano-Bar auf der Erde auf. Da fängt diese Spinoff-Serie an. Diese sehr ulkige Ausgangssituation wird sehr schnell wieder abgeschafft, was einerseits schade ist, andererseits aber natürlich erst den Platz für einen eigenen Handlungsbogen schafft. Der ist deutlich stringenter durchstrukturiert als der von "Sandman", aber auch stärker in seiner eigenen Mythologie gefangen, nicht so schön verspielt und oft etwas unnötig vulgär und brutal. Also nicht ganz die Klasse des "Muttercomics", aber auch absolut lesenswert, nicht nur wegen der spannenden Hauptfigur. Stößt aber wie auch das Vorbild oft an die Grenzen des Mediums, da es ab einer gewissen Komplexitätsstufe einfach mit mehr Worten weniger konfus wäre.

Ipsissimus
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Mo 19. Aug 2013, 15:47 - Beitrag #633

Jennifer Egan
Black Box


Schöffling und Co, Frankfurt /Main

Jennifer Egan ist ein Shooting Star unter amerikanischen Autoren gehobener Literatur und wird, wenn sie so weiter macht, in 10 Jahren zweifellos den Literaturnobelpreis erhalten. Und dies, wenn sie so weiter macht, auch zu recht. Den Pulitzer hat sie schon 2011 für ihren Roman Der größere Teil der Welt erhalten.

Black Box ist eher eine Kurzgeschichte als ein Roman und entstand als eine Folge von Tweeds. Die Geschichte selbst ist eher konventionell - Agentin infiltriert Haus von Bösewicht und verhindert Anschlag - zu etwas Besonderem wird die Geschichte durch die darin angelegte Erzähl-Perspektive.

Diese Perspektive ist im Grunde die eines der Frau über die Schultern schauenden Beobachters, der alles, was die Frau tut oder was ihr widerfährt, kommentiert. Das heißt, die Geschichte selbst wird überhaupt nicht erzählt, alles, was passiert, muss anhand der Kommentare dieses Beobachters entschlüsselt werden, und manchmal gehen bei diesen Kommentaren Wirklichkeit und Traum schwer zu durchschauende Verbindungen ein. Die Kommentare beschäftigen sich mit möglichen Konsequenzen aktueller Situationen, der Bedeutung kleiner Gesten und Vorkommnisse, Hinweise, wie die Frau mit mehreren Männern, die sie infiltrieren soll, hintereinander schlafen kann, ohne dabei vor Selbstekel zu ersticken, Starthilfe für ein Flucht-Schnellboot und vieles mehr. Implizit erfährt man auch, dass das das Geschehen vermutlich in ein sehr modernes Cyberpunk-Szenario eingebettet ist, die Frau jedenfalls ist komplett mit biologischen Implantaten voll gestopft.

Sehr faszinierend. Leider viel zu kurz, ich habe die Kindle-Version in knapp einer halben Stunde durch gehabt. Macht aber Lust auf weitere Romane von Egan.

Lani
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Di 20. Aug 2013, 15:22 - Beitrag #634

Victor Hugo - Die Elenden / Les Misérables

In einer gekürzten Version (und dann auch noch mit Filmcover, böse böse. :P ). Aber scheinbar auch nicht die Kürzeste, es gibt (oder gab) wohl Eine mit etwas mehr als 300 Seiten, meine hat immerhin 605. Obwohl das Buch trotz der Kürzung noch...sagen wir mal...ziemlich ausführlich ist, gefällt es mir total. Ich glaube im Oktober erscheint relativ günstig die vollständige Ausgabe, da werde ich wahrscheinlich auch zugreifen, um noch die ein oder andere Ergänzung zu haben.

Milena
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Di 27. Aug 2013, 11:31 - Beitrag #635

Jüdische Küche
J.Dolezalova
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nicht nur ein ausgezeichnetes kochbuch, wobei es überschwemmt ist mit fleischgerichten, aber auch mit gebäck, sondern es wird viel über die jüdischen riten erzählt, bezeichnet und erklärt. Koscher, trefe, sabbat, sukkot etc...viel in bildern gezeigt, symbolen, worterläuterungen...

Die blaue Kuppel der Erinnerung
Lars Saabye Christensen

nichts ist komischer als das tragische. Christensen kann das wunderbar rüberbringen, diese schlichte wahrheit zu nutzen, ohne seine figuren zu verraten. Damit ist vieles bereits erklärt. Christensen schreibt so, wie es mir gefällt und ich selbst manchmal schreibe. voller leichtigkeit, auch wenn es einen erdrückt, witzig, spritzig.

Worte auf meiner Stirn
Nafisa Haji

Saira bereits als kleines mädchen auffällig, anders als ihre schwester, rebelliert, fragt nach einzelheiten, wo es nichts nachzufragen gibt, stellt sich gegen die riten und traditionen ihrer indischen familie.
als journalistin taucht sie ein in die grausame, reale welt von indien.

Ipsissimus
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Di 27. Aug 2013, 14:45 - Beitrag #636

Mit jüdischer Küche verbinde ich gar keine Vorstellungen. Berichte mal von den Ergebnissen, Schätzle^^

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Di 27. Aug 2013, 15:52 - Beitrag #637

Über jüdische Speisegesetze habe ich auch schon verschiedentlich nachgedacht. So gesehen ist es für einen Vegetarier sehr einfach, kosher zu essen, beziehen sich doch fast alle Speisegesetze auf Fleischgerichte. Die Regelungen mit zweierlei Geschirr, Waschmaschinen und Kühlschränken für milchiges und fleischiges sind dann auch überflüssig, Veganer brauchen sogar gar kein Geschirr. ;)

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Di 27. Aug 2013, 16:01 - Beitrag #638

Veganer essen aber nicht aus der Hand^^

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Di 27. Aug 2013, 17:02 - Beitrag #639

O doch, das kann ich empirisch bestätigen :D ...wenn auch nicht alles.

Ipsissimus
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Mo 2. Sep 2013, 12:31 - Beitrag #640

Daniel Suarez

Daemon: Die Welt ist nur ein Spiel
und
Darknet

deutsche Fassung beide Bände Rowohlt 2011

Formal handelt es sich um Semi-Cyberpunk. "Semi" deswegen, weil die beschriebenen Technologien mit einer Ausnahme heute bereits existieren und angewendet werden, bzw. die Entwicklung innerhalb der nächsten fünf, allerhöchstens 10 Jahre abgeschlossen sein wird. Die eine Ausnahme ist eine KI, die in der Lage wäre, einen Turingtest mit nicht-standardisierten, "freien" Themen und nichtformalisierter Gesprächsführung und Sätzen zu bestehen. Alles andere gibt es schon bzw. wird es demnächst geben, es ist also ein Cyberpunk, der keine Zukunft, sondern mögliche Gegenwart zum Inhalt hat.

Hinter der Cyberpunk-Oberfläche handelt es sich um eine Dystopie der schlimmsten Art. Dies bezieht sich nicht auf das Agieren des Daemon oder der Sobol-KI, die zunächst das Internet nebst unzähligen Unternehmens-Intranets übernehmen und als die schlimmsten Feinde der Menschheit eingeführt werden, sondern auf die Reaktionen der Geheimdienste und Unternehmen, respektive deren - lange Zeit unersichtlichen - Motiven. In diesen Motiven liegt die eigentliche Dystopie verborgen.

Im Laufe der Geschichte werden die verborgenen Motive und Zielsetzungen Schicht für Schicht offen gelegt und die Wertigkeiten des Daemons und der KI sowie der handelnden Personen ändern sich entsprechend Schritt um Schritt.

Am Ende wandelt sich die Dystopie in eine Utopie, der Daemon wandelt sich zu einem dienstbaren Geist, die Macht der Unternehmen und Geheimdienste wird gebrochen, die KI hat gewonnen. Die beiden Bücher bleiben für mich dennoch dystopisch, weil sie die realexistente Gegenwart allgegenwärtiger Überwachung à la Prism und Google in geringfügig ausgeschmückter Form beschreiben. Utopisch ist nur die Art der Überwindung, und genau da glaube ich, dass Sanchez zu optimistisch ist, einfach deswegen, weil es eine solche KI nicht gibt (der Daemon, der heute schon realisierbar wäre, ist zwar auf offensichtliche Art sehr viel mächtiger als die KI, im Kern aber nur ein Logikbaum, die KI denkt wirklich).

Es ist müßig, Daemon und Darknet mit der Neuromancer-Trilogie zu vergleichen. Die Trilogie ist sehr viel mehr Cyberpunk und damit Science Fiction als Daemon/Darknet. Trotzdem gingen mir die beiden Bände von Sanchez unter die Haut, wo ich von Neuromancer nur fasziniert war. Was Sanchez beschreibt, ist Gegenwart, unsere Gegenwart, und auch, wenn es in dieser Gegenwart die Retter nicht gibt, gibt es doch die Parasiten.

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