Kurt Vonnegut

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Traitor
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So 22. Apr 2007, 10:57 - Beitrag #1

Kurt Vonnegut

Heute erst las ich, dass am 11. April der amerikanische Autor Kurt Vonnegut gestorben ist. Bekannt ist er als Schreiber grotesker, düsterer, aber auch humoristischer Bücher, die schwer zwischen SF und "normaler" Literatur einzuordnen sind. Wer kennt ihn?

Erstmals gehört hatte ich von ihm, da Douglas Adams ihn als Vorbild bezeichnete. Meine Kenntnis beschränkt sich bisher auf sein wohl bekanntestes Werk "Slaughterhouse 5", indem er seine Erinnerungen an das Bombardement Dresdens mit surrealen Zeitreise- und Alienelementen vermischt. Seltsam, aber faszinierend.

Traitor
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Do 7. Aug 2014, 20:26 - Beitrag #2

Sammlung der letzten 7 Matrixjahre, anlässlich von Lykurgs letztem Wblig-Eintrag, siehe ganz unten (inklusive Antwort, dies ist kein reiner Zitatspam):

Zitat von Traitor, 13.03.2009:Kurt Vonnegut - Cat's Cradle
Bekannt vor allem für das Konzept des "Ice-nine", einer Eis-Konfiguration, die als Kristallisationskeim, einmal freigesetzt, sofort sämtliches Wasser der Erde umwandeln würde. Um diese Substanz herum aber vor allem ein psychologisches und gesellschaftssatirisches Werk, in dem ein Autor eines Buches über die Hiroshima-Bombe den Rätseln eines ihrer Väter nachspürt und dabei neben dem Ice-nine auch auf eine obskure karibische Noch-nichtmal-Bananen-Republik und deren verbotene Staatsreligion, den Bokononismus, stößt. Stellenweise kommt es mir fast so vor, als sei "Illuminatus" eine (noch konfusere, aber auch schlechtere) Imitation dieses Werkes, insbesondere nimmt der Bokononismus viele Mindfuck-Elemente voraus.
Vonneguts Stil ist hier ruhiger und sachlicher als in "Slaughterhouse Five", der Inhalt nicht ganz so abgedreht, aber wie beschrieben hochinteressant. Ein richtig gutes Buch, das seinem Klassikerstatus gerecht wird.


Zitat von Melianawe, 26.06.2009:Traitor, es ist aus A Man Without A Country. Hier das ganze Zitat (weil es einfach so schön ist):

[...] But I had a good uncle, my late Uncle Alex. [...] He was well-read and wise. And his principal complaint about other human beings was that they so seldom noticed it when they were happy. So when we were drinking lemonade under the apple tree in the summer, say, and talking lazily about this and that, almost buzzing like honeybees, Uncle Alex would suddenly interrupt the agreeable blather to exclaim, "If this isn't nice, I don't know what is."

So I do the same now, and so do my kids and grandkids. And I urge you to please notice when you are happy, and exclaim or murmur or think at some point, "If this isn't nice, I don't know what is."


Zitat von Traitor, 29.04.2011:Kurt Vonnegut - The Sirens of Titan
Nicht ganz die Klasse von "Slaughterhouse Five" und "Cat's Cradle", aber ebenfalls eine Offenbarung. Vonnegut erzählt von einem Ostküsten-Aristokraten, der durch ein obskures Weltraumphänomen (chrono-synclastic infundibulum) zum Wellenphänomen wird und an allen Orten und Zeiten gleichzeitig existiert. Somit allwissend, zettelt er u.a. einen Krieg zwischen Erde und Mars an, entführt den reichsten Mann der Welt und seine eigene Frau und hat noch weit darüber hinausgehende Pläne...
Wieder mit herrlichen Absurditäten und der typischen Mischung aus Satire und ernstzunehmender Philosophie. Vonnegut gehört wohl definitiv auf die Liste der "von dem lohnt alles"-Autoren.


Zitat von Traitor, 25.06.2011:Kurt Vonnegut - Breakfast of Champions
Vonnegut-Bücher sind immer seltsam, chaotisch und metaebenenlastig, aber bei diesem sind das sogar eindeutig die definierenden Eigenschaften. Die eigentliche Handlung ist eher irrelevant (ein geistig instabiler Autohändler hält eine SF-Story für Gottes Wort und läuft Amok), wird anfangs groß angekündigt und findet dann irgendwann eher nebenbei und unspektakulär statt. Dafür treten aber sowohl ein Alter Ego des Autors als auch der Autor selbst auf, zig weitere SF-Story-Ideen werden als Werke im Werk kurz angerissen, die Welt des 20. Jahrhunderts wird für zukünftige Beobachter in Wort und Bild erklärt (wobei u.a. nur eine Seite zwischen einer Statistik über amerikanische Penislängen und einer Kurzzusammenfassung der deutschen Geschichte ("waren geistig kranke Nazis, wurden wieder gesund, haben dann Autos gebaut") liegt), und unzählige herrliche Witze und grob unsinnige Nebenhandlungen und -bemerkungen sind längst keine Auflockerung, sondern eben eigentlicher Sinn der Sache.
Die inhaltliche Größe von "Cat's Cradle" und "Slaughterhouse Five" erreicht Vonnegut wieder nicht, ist aber auch hier einfach ein Meister der Groteske.


Zitat von Traitor, 23.08.2012:Kurt Vonnegut - Player Piano Vonneguts erster Roman (von 1952), was man vor allem daran merkt, dass er noch deutlich ernster ist als die späteren, stark satirischen. Szenario: Das Amerika der Zukunft ist eine (privat-)planwirtschaftliche Meritokratie, in der die Automatisierung weit fortgeschritten ist und es eigentlich nur noch die zwei Klassen "manager and engineers" und "superfluous" gibt. Eigentlich ist alles bestens und der Lebensstandard auch der niederen Kaste hoch, dazu organisieren (natürlich noch vakuumröhrenbasierte) Computer alles immer besser und könnten bald sogar die höhere Kaste überflüssig machen. Der Hauptcharakter (Fabrikleiter) verzweifelt aber immer mehr an der Sinnentleertheit der menschlichen Existenz.
Satirische Elemente sind aber durchaus bereits drin, eine ausgewogene Mischung.


Zitat von Lykurg, 07.08.2014:Kurt Vonnegut: Schlachthaus 5 oder der Kinderkreuzzug (1969)
Basierend auf Vonneguts eigenen Erfahrungen als amerikanischer Kriegsgefangener in Dresden während der Bombardierungen, erzählt der Text in sehr eindrucksvoller Weise die Geschichte eines Mannes, der offenkundig aufgrund seiner traumatischen Erlebnisse im Krieg den Realitätssinn verliert. In einer Reihe von Zeitsprüngen wird auf mehreren Ebenen das Kriegsgeschehen und seine Nachkriegserlebnisse (unter anderem eine Entführung durch Aliens) ineinander verschränkt und miteinander verbunden. Eine besondere Rolle spielte der Text auch insofern, als Vonnegut damit die Bombardierung Dresdens in den USA überhaupt erst bekannt machte bzw. die bis dahin ausschließlich propagandistische Sicht (als 'Rüstungsstandort') verändern half.


Lykurg, das "offenkundig" möchte ich ein wenig anzweifeln. Ja, reiner Realitätsverlust ist die mit Abstand sparsamste und sinnvollste Erklärung für die "Ereignisse" im Roman. Aber einen nennenswerten Teil seiner Faszination bezog das Werk für mich auch daraus, dass das eben nicht ganz eindeutig gemacht wird, sondern es sich auch als "reale" SF von hochgradiger Wirrnis lesen lässt.

Als logische Fortführung deines Tropico-Fantums und WM-bedingten Bananeninteresses möchte ich dir dann dringend "Cat's Cradle" nahelegen. ;)

Lykurg
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Sa 9. Aug 2014, 07:23 - Beitrag #3

Hmm, ja, habe ich schon mit einigem Interesse beäugt. Landet auf der Liste.

Und ja, die Ambivalenz habe ich natürlich auch gesehen und unterschlagen, wobei der Roman sich ja schon Mühe gibt, lauter Detail der wirren Erlebnisse auch in seiner mit dem Standardmodell^^ von Geschichte übereinstimmenden Biographie vorkommen zu lassen, wie etwa die rechteckigen Luken des Ufos, die den Fenstern des Viehtransporters entsprechen - teilweise noch auf derselben Seite. Der Text läßt es offen bzw. 'glaubt daran', da es konsequent seine Erzählung bleibt. Dennoch gibt der Verfasser im Text^^ sich Mühe, daß man die [mögliche] Unzuverlässigkeit seines Erzählers wahrnimmt.


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