Bücher von Frauen über Frauen für Frauen

Die Faszination des geschriebenen Wortes - Romane, Stories, Gedichte und Dramatisches. Auch mit Platz für Selbstverfasstes.
Traitor
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Sa 13. Nov 2010, 00:18 - Beitrag #1

Bücher von Frauen über Frauen für Frauen

Prognose vorweg: Feuerkopf wird mich töten. ;)

Kürzlich wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass ich in meiner Sammlung fast keine Bücher habe, in den die Hauptfiguren Frauen bzw. Mädchen sind. Ein paar klassische Gesellschaftsromane, ein paar Jugendbücher, Pratchetts Hexen-Bände. Aber das war's auch schon. Insbesondere kaum Fantasy oder SF mit weiblichen Protagonisten.
Meine Freundin dagegen liest massenweise Fantasy mit weiblichen Figuren.
Zusatzpunkt: viele davon sind auch von Frauen geschrieben.
Ähnliche Trends sind mir auch von vielen anderen Lesenden bekannt.

Es scheint also ein Muster zu geben: es gibt viele Bücher weiblicher Autoren mit weiblichen Figuren, meist werden diese aber nur von Frauen gelesen. Während es natürlich auch viele rein männliche Literatur gibt, aber viele von Männern über Männer geschriebene Bücher auch von Frauen gelesen werden.

Ursachenforschung? Bis vor einigen Jahrzehnten war die Sache mit der Demographie der Autoren weitgehend erledigt, die Diskussion sollte sich also vor allem auf relativ junge Werke konzentrieren. Auch manche Genres wie Romanzen auf der einen, hard-boiled-Detektive oder -SF kann man beiseitelassen.

Aber gerade im in meinem Bekanntenkreis statistisch am besten vertretenen Fantasy- und SF-Bereich, und analog wohl beispielsweise bei historischen Romanen, ist es doch auf den ersten Blick sehr irritierend. Hier ist es doch eigentlich halbwegs austauschbar, welches Geschlecht Autor und Figuren haben?

Einiges kann man sicher immer noch mit Autorendemographie erklären - nicht mehr unbedingt damit, dass es mehr Autoren als Autorinnen gibt, aber wohl damit, dass Autoren bei den Verlagen besser durchkommen. (Das wäre zumindest mein statistikunbelegter Verdacht.) Und der Aspekt, dass sich der Leser mit der Figur identifizieren will, ist sicher auch zu beachten.

Aber zwei bis drei spannende und kontroverse Aspekte bleiben für mich übrig, die einmal gegen die Männer, einmal gegen die Frauen sprechen:

1. Autorinnen schreiben zu oft über Frauen, um über Frauen zu schreiben. Wie eingangs gesagt, kann ich aus eigener Anschauung nur sehr wenig weibliche Literatur qualifiziert beurteilen. Aber eben im Fantasy- und SF-Bereich hat man oft von indirekten Schilderungen (Titel, Aufmachung und Klappentexte - mieseste Quelle überhaupt, natürlich; persönliche Berichte; Rezensionen) den Eindruck, dass Welten gezielt daraufhin konstruiert werden, "mächtige" oder "selbständige" weibliche Charaktere zu ermöglichen, oder zumindest die individuellen Charaktere selbst nach diesem Muster konstruiert werden. Oder das ganze Buch ein "wie normale Männer-Fantasy, aber diesmal mit Frauen" sein soll. Ich rede jetzt gar nicht von bradleyschem ideologischem Feminismus, sondern eher von einer Mischung aus Zielgruppenorientiertheit und "author appeal".

2. Männer sind Ignoranten. Irgendwie muss es ja dazu kommen, dass mann so selten zu "weiblichen Büchern" greift. Von 3. abgesehen, hat mann also wohl irgendwie einprogrammiert, dass das keine "richtige Literatur" sei, nicht wert, gelesen zu werden. Bei mir persönlich beruht das oft darauf, dass ich 1. bewusst oder unterbewusst wahrnehme und mich davon abschrecken lasse. Ansonsten aber wohl primär daran, dass mich eher Klassiker als aktuelle Werke interessieren und es da in meinen Bereichen einfach fast keine "weiblichen Werke" gibt, siehe Autorendemographie oben.

3. Verlage legen ihre Werbung falsch aus. Hierauf bezieht sich das "zwei bis drei spannende und kontroverse Aspekte", denn dieser Aspekt ist wohl eigentlich zu selbstverständlich. Dass Titelgebung, Umschlaggestaltung, Klappentext und Werbung selten dem Buch gerecht werden, ist ja allgemein bekannt. Dennoch trägt es sicher massiv zur Unterstützung von 2. bei, weil auch durchaus "männerkompatible" Werke dank rein auf Kundinnen ausgerichteter Aufmachung diese Eigenschaft schnell verlieren, solange der Mann keinen Geheimtip bekommt.

Amy
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Sa 13. Nov 2010, 00:36 - Beitrag #2

Zitat von Traitor:1. Autorinnen schreiben zu oft über Frauen, um über Frauen zu schreiben. Wie eingangs gesagt, kann ich aus eigener Anschauung nur sehr wenig weibliche Literatur qualifiziert beurteilen. Aber eben im Fantasy- und SF-Bereich hat man oft von indirekten Schilderungen (Titel, Aufmachung und Klappentexte - mieseste Quelle überhaupt, natürlich]dass Welten gezielt daraufhin konstruiert werden, "mächtige" oder "selbständige" weibliche Charaktere zu ermöglichen, oder zumindest die individuellen Charaktere selbst nach diesem Muster konstruiert werden[/B].


Ich lese scheinbar die falschen Bücher von Frauen ;)
Mir begegnen immer wieder die Opfer-Charaktere. Frauen, die in das Geschehen geworfen werden, hilflos sind und dann auf den männlichen Protagonisten angewiesen sind. Eben das typische Märchen-Schema mit der armen Prinzessin/Bauerstochter/etc, die vom gutaussehenden und herzensguten Prinzen gerettet wird, woraufhin sich dann die Liebe entfaltet. Gut, das dann wohl meistens bei den "harmlosen" Fantasy-Geschichten. (Diesen Opfer-Fehler bei einer Frauen-Geschichte habe ich selbst gemacht, weswegen ich im anderen Projekt die, von dir erwähnte, mächtige und selbstständige Protagonistin erschaffe.)

Meistens sind die Frauen innerhalb der Geschichten schon stärker, nicht alle gehen in ihrer Opferrolle auf. Aber selbst wenn sie sich stärker und selbstbewusster zeigen, gibt es meistens einen Part, der sie übertrumpft - und das ist meist ein Mann.

Warum also starke weibliche Charaktere, speziell in SF und Fantasy?
Trotz Emanzipation ist die "Unterdrückung" für die Frau noch immer deutlich. Die Männer sind einfach das starke Geschlecht - alleine schon physisch. Wieso also dann nicht in einer fiktiven Welt den Frauen das Ruder in die Hand drücken und damit deutlich machen: Rollentausch, liebe Herren! Wir sind nicht mehr abhängig von euch, noch richten wir uns nach eurem Willen. Wir lenken unser Leben nun selbst.

Ich muss gestehen, dass ich beides mag:
Ich liebe überragend (willens)starke Protagonistinnen, die sich nicht einkriegen lassen und den Platz einnehmen, den in Sagen und anderen Geschichten, stets nur Männer eingenommen haben.
Aber die Opfer-Rolle hat auch ihre Reize und ist leichter zur Identifizierung geeignet (jedenfalls bei mir), weil wir alle unsere schwachen Momente haben.

e-noon
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Sa 13. Nov 2010, 00:40 - Beitrag #3

Hm, keine Ahnung. Beschränkt sich das auf deinen Bekanntenkreis oder gibt es dazu irgendwelche Studien? Bei mir ist es nämlich eher anders herum. Sind in deinem Bekanntenkreis denn mehr Männer oder mehr Frauen? ^^

"Von weiblichen Autoren" trifft seit Harry Potter sicher nicht mehr zu ^^ Da waren sich Männlein und Weiblein gleichermaßen einig, Rowling hat also den Geschmack beider Geschlechter getroffen. Aber in meinem Bekanntenkreis gibt es auch deutlich mehr Männer, die Twilight gelesen haben und gut fanden, als solche, die sich für Scifi interessieren.
Meines Erachtens kommt es vor allem auf das Thema an - weder weibliche Autoren noch weibliche Leser interessieren sich besonders für Scifi (natürlich gibt es immer Aussagen, aber wir reden ja hier von groben Mehrheiten). Wenn also eine Autorin sich an Sci-fi wagt, schreibt sie entweder für Männer - riskant: nimmt man einen weiblichen oder einen männlichen Protagonisten? Passt man sich ganz der bisherigen, männlich geprägten Vorstellung an oder wandelt man das ganze ab?
Es ist für mich eine Tatsache, dass Frauen mehr Romantik lesen wollen als Männer. Während also Männer sachlichen, aktionreichen Sci-fi, oder Fantasy, oder historische Romane schreiben und lesen, schreiben (und lesen) Frauen lieber Scifi-Romance, Fantasy-Romance oder historische Liebesromane. Bücher, die sich gar nicht mit partnerschaftlichen Beziehungen auseinandersetzen, sind für mich in der Regel uninteressant, und so ergeht es vielen Frauen. Aber auch immer mehr Männer lesen gerne Romanzen, und die suchen sich dann auch meist weibliche Autoren, weil die einfach die größeren Erfahrungen habe, gerade wird aber auch der Markt der männlichen Autoren für Romanzen mit männlichen Protagonisten entdeckt, iirc.
Bei Krimis, denke ich, gibt es auch einige weibliche Autoren mit weiblichen Protagonisten, die auch von Männern gelesen werden, aber Krimis lese ich nicht so viele.

Mein Fazit: Deine Wahrnehmung ist Genre-geprägt. Fantasy und Scifi sind immer noch Männerdomänen, nicht aus Unfähigkeit der Frauen, würde ich sagen, sondern aus Desinteresse am rein technischen und mangelndem Leserinteresse (und ja, Männer würden meiner Einschätzung nach ungern ein richtig gut geschriebenes Scifi-Buch lesen, wenn die Protagonistin eine Frau wäre). Die Spiegelbestsellerlisten sind recht gut nach Geschlechtern gemischt, die Literaturnobelpreisträgerlisten zumindest für die letzten zehn Jahre, da muss man abwarten. Auch hier würde ich jedoch sagen, dass bei den weiblichen Autoren prozentual einfach etwas weniger Interesse an nobelpreisfähigen Themen und Stilen herrscht.

Nichts genaues weiß man nicht ^^

Edit: Insbesondere bei Fantasy und historischen Romanen, also Settings, in denen pure Muskelkraft (oder von physischer Kraft abhängige Magie/Schwertbeherrschung) lebensentscheidend ist, erklärt sich der Protagonist eigentlich von selbst. Es ist einfach unglaubwürdig, dass eine grazile, anmutige Dame (und schön sollen die Protagonisten ja bitte auch sein) die Axt auf die gleiche Weise schwingt, wie der muskelbepackte Krieger; und Mann und Frau sind sich einig, dass Kraft- und Muskelaufbau bei Männern deutlich mehr zur Attraktivität beiträgt als Frauen. Übrigens ist das Fernsehen voll von Serien wie "Xena, die Kriegerprinzessin" ^^

Traitor
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So 14. Nov 2010, 00:36 - Beitrag #4

@Amy: Da ich als Ignorant "solche" Bücher eben kaum lese, kann ich nicht so recht beurteilen, welche Charaktertypen letztlich drin vorkommen. ;)
Wieso also dann nicht in einer fiktiven Welt den Frauen das Ruder in die Hand drücken und damit deutlich machen: Rollentausch, liebe Herren! Wir sind nicht mehr abhängig von euch, noch richten wir uns nach eurem Willen. Wir lenken unser Leben nun selbst.
Das ist gerade der Aspekt, der mich stört - wenn diese "liebe Herren"-Mentalität offensichtlich wird. Es sollte um die Geschichte gehen, nicht darum, mit ihr etwas beweisen zu wollen.
Dass rein innerliterarisch der quantitative Vorsprung männlicher Sagen-Helden "aufgeholt" werden muss, gefällt mir als Argument schon besser, denn das kann man ja nicht nur als Quotenargument verstehen, sondern auch als Darlegung, dass ein breites Rollenspektrum noch nicht ausgenutzt wurde und somit viele naheliegende Geschichten über weibliche Charaktere noch darauf warten, geschrieben zu werden.

@e-noon: Wenn es Studien gibt, dann kenne ich sie nicht, und wenn ich sie kennen würde, würde ich ihnen nicht glauben, da sie unter Garantie nicht ernsthaft wissenschaftlich erstellt worden wären. ;)
Bekanntenkreis halbe/halbe, würde ich sagen, wobei die Frauen wesentlich mehr lesen. Ergänzt durch nichtrepräsentative Eindrücke aus dem Welches-Buch-lest-ihr-gerade hier und anderen subjektiven Internetquellen.

Die Genreauswahl habe ich ja im Eingangsbeitrag zu begründen versucht - meines Erachtens zeigt sich das Phänomen vor allem im Fantasy-Bereich (und vermutlich bei Historienromanen, auf die ich aber nur extrapoliere, keine persönlichen oder Umfeld-Daten habe), denn hier sind Leser- und Autorenschaft heutzutage relativ ausgeglichen zwischen den Geschlechtern. SF ist immer noch eine sehr männliche Sache, aber Fantasy scheint sich zumindest in den letzten Jahren sehr verweiblicht zu haben. Sowohl subjektiv kenne ich viele Mädchen, die viel Fantasy lesen, als auch, wenn man sich die Massenphänomene am Buchmarkt so ansieht.

Romantik - kann sie wirklich der Hauptunterschied der Geschlechtsgeschmäcker sein? Ich widerspreche dir keinesfalls, dass sie für Frauen wichtiger ist, zumindest grobstatistisch. Aber:
Bücher, die sich gar nicht mit partnerschaftlichen Beziehungen auseinandersetzen, sind für mich in der Regel uninteressant, und so ergeht es vielen Frauen.
Gilt das für dich wirklich so streng, wie es klingt? Bzw., wie ist das "gar nicht" zu interpretieren? So, dass die "partnerschaftlichen Beziehungen" unbedingt ein wesentlicher Teil des Buches sein müssen? Oder nur so, dass es dich irritiert, wenn von der Handlung her Partnerschaftliches vorkommt, der Autor es aber nur in Nebensätzen abhandelt und nicht ernst nimmt?

e-noon
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So 14. Nov 2010, 11:21 - Beitrag #5

Wie gesagt, "in der Regel" ^^
Die Differenz könnte auch auf der Metaebene des Genres liegen. Welche Art von Büchern bevorzugen Männer bzw. Frauen, informative, eskapistische, emotionale, poetische... ?
Ich tippe mal, dass bei Frauen der Anteil an eskapistischen Motiven höher ist, während bei Männern die informativen Motive überwiegen. Der Mann will wissen "wie ist das nun mit Raumschiff A und Warpantrieb B? Welche Probleme ergeben sich daraus, dass ein Crewmitglied Vulkanier ist? Wie kombinieren sich die drei Gesetze der Robotik in Extremsituationen?"
Die Frau will dagegen gar nicht so viel wissen, sondern spüren, wenn es sich anfühlt, wenn man sich mit einer jungen Frau im Mittelalter/Teenager, die sich in einen Vampir verliebt/reichen, wunderschönen Frau mit reichem, wunderschönen, romantischen Mann/... identifiziert.

Wobei für mich durchaus beides gilt, ich habe Asimovs Geschichten genauso verschlungen wie den futurologischen Kongress; allerdings wird mir Twilight immer in besserer Erinnerung bleiben, obwohl es nicht das bessere Buch ist, jedoch habe ich mich in den Hauptcharakter verliebt, und daher bleibt mir Edward einfach tiefer in Erinnerung als ein Zweihundertjähriger.

Außerdem kann man sagen, dass ich deutlich weniger Tipps zu Scifi beispielsweise bekomme, als zu Romanen. Der (männliche bzw. weibliche) Bekanntenkreis könnte also das Phänomen noch verstärken.
Das ist gerade der Aspekt, der mich stört - wenn diese "liebe Herren"-Mentalität offensichtlich wird. Es sollte um die Geschichte gehen, nicht darum, mit ihr etwas beweisen zu wollen.
Sollte, weil du als Mann gerne informativ lesen willst ("wie ist das so als Frau im Mittelalter, was muss man tun, um sich durchzuschlagen")? Als Frau will man aber emotional lesen und da ist dann genau dieses "Ha, jetzt zeig ich's euch" von Vorteil (bei mir persönlich nicht, aber sicher bei vielen. Überstarke Charaktere wirken auf mich immer lächerlich).

Außerdem bin ich noch lange nicht überzeugt, dass deine Beobachtung zutrifft. Wenn du dir mal die Bücher von Kai Meyer ansiehst - "Die fließende Königin" war ein Bestseller, ich behaupte mal, auch unter Jungs, obwohl die Protagonistin eine zwar eigenwillige, aber nicht künstlich auf stark getrimmte Person war. Eine weibliche Autorin im Fantasybereich mit weiblicher Protagonistin ist Cornelia Funke.

Wenn es Studien gibt, dann kenne ich sie nicht, und wenn ich sie kennen würde, würde ich ihnen nicht glauben, da sie unter Garantie nicht ernsthaft wissenschaftlich erstellt worden wären.
Ich dachte nicht an Studien zum Leseverhalten, sondern mehr an Verkaufszahlen in dem Bereich, geordnet nach männlichen/weiblichen Autoren und männlichen/weiblichen Protagonisten.

Was ist mit Mary Shelley? ^^ Wer weiß, ob selbst heute noch Sci-fi AutorINNEN unter männlichem oder neutralen Pseudonym veröffentlichen. Rowling wird in England nur als "J.K. Rowling" vermarktet, weil die Verleger Angst hatten, dass Jungen ein von einer Frau geschriebenes Zaubererbuch nicht lesen würden.

Gilt das für dich wirklich so streng, wie es klingt? Bzw., wie ist das "gar nicht" zu interpretieren? So, dass die "partnerschaftlichen Beziehungen" unbedingt ein wesentlicher Teil des Buches sein müssen? Oder nur so, dass es dich irritiert, wenn von der Handlung her Partnerschaftliches vorkommt, der Autor es aber nur in Nebensätzen abhandelt und nicht ernst nimmt?

Naja, ich schrieb bewusst "in der Regel". Asimovs Geschichten sind zum Großteil bar aller Romantik, ebenso Sherlock Holmes. Das wären somit Ausnahmen von meiner Regel, und es gibt durchaus viele Ausnahmen, da ich sehr viel lese. Auch im futurologischen Prozess oder in Solaris kommt ja höchstens marginal Partnerschaft vor, bzw. in Solaris ist es sogar ein starkes Motiv, ist aber eben als Motiv geschildert und nicht "zum Miterleben". Ich kann solche Bücher durchaus genießen und schätzen, aber emotional stehen mir Romane, in denen ich Gefühle miterleben kann (positive Gefühle ^^), einfach näher. Die Mehrheit der Bücher, die ich freiwillig lese (keinesfalls die Mehrheit der Bücher, die ich als hohe Literatur einstufen würde), ist somit emotionale Unterhaltungsliteratur, i.e. (Fantasy, historische Romane oder Mysterie mit Anteilen der) Liebesromane.

Ipsissimus
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So 14. Nov 2010, 19:00 - Beitrag #6

"Erika", hauchte er mit vor Fassungslosigkeit weit aufgerissenen ungläubigen Augen. "Hans", erwiderte sie beinahe tonlos. Doch dann fasste sie sich ein Herz und streckte ihm das kleine Bündel entgegen. "Dein Sohn, Hans", sie wisperte es nur.

Und mit einem unendlich innigen Blick nahm er seinen Sohn das erste Mal in seine starken Arme, und Erika und Hans liefen die Tränen über die Wangen, als sich ihre Lippen über ihrem Kind nach viel zu langer Zeit zum ersten Mal wieder trafen.


schluchz .... schnief


so ungefähr?^^

e-noon
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So 14. Nov 2010, 19:14 - Beitrag #7

So ungefähr was? :D Kitsch? Joa, wäre ein Anfang, zumindest besser als
*Aufschlitzen* *Wirbelsäule brech*
"Ach schau mal, was für ein SÜSSES Baby! Aus, Renesmee, wirst du wohl! Nicht die Mami beißen! Hach, was für goldene Löckchen sie hat."

:rolleyes:

Oder eher sowas wie hier:
But, soft! what light through yonder window breaks?
It is the east, and Juliet is the sun!
Arise, fair sun, and kill the envious moon,
Who is already sick and pale with grief,
That thou her maid art far more fair than she:
Be not her maid, since she is envious;
Her vestal livery is but sick and green,
And none but fools do wear it; cast it off.
It is my lady; O! it is my love:

Feuerkopf
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So 14. Nov 2010, 20:05 - Beitrag #8

Die härtesten Krimis, die ich kenne, hat eine Frau geschrieben - Val McDermid.
Und dennoch kommt bei ihr das Gefühl nicht zu kurz, wenn ich mir die Romane um den Profiler Tony Hill angucke.

Wenn ich an typische Männer-SciFi denke, fällt mir sofort Perry Rhodan ein. Ich habe mehrfach versucht, mich einzulesen, aber ein Mausbiber hat für mich keinerlei Attraktion, sorry. Und auch kein Unsterblicher. Das war mir zu mackerhaft.

Die Scheibenwelt ist wirklich amüsant, aber so richtig anfixen tut mich auch das alles nicht, vielleicht, weil mir eine (starke) Frau fehlt? Ich mag Identifikationsfiguren in einer Geschichte. Oder kommt da noch eine in Band XY? ;)

Wunderbare Frauencharaktere hat z. B. Stephen King geschaffen; es muss also nicht unbedingt eine Autorin sein, die ein für mich interessantes Buch schreibt.

Mir ist wichtig, dass zu einer guten Geschichte ganz gleich welchen Genres auch ein guter emotionaler Unterbau existiert, nur dann ist die Geschichte für mich interessant.

Ipsissimus
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So 14. Nov 2010, 22:59 - Beitrag #9

gerade in der Scheibenwelt wimmelt es aber von starken Frauen, Feuerkopf. Nanny Ogg, Oma Wetterwachs, Esmeralda, uvm. alle mit eigenen Bänden, viele in vielen Bänden auftretend

davon abgesehen, auch Männer schätzen Emotionen, jedenfalls viele Männer. Nur dass Männer realistische Emotionen schätzen und nicht überzogenes emotionales Gehabe^^

e-noon
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So 14. Nov 2010, 23:25 - Beitrag #10

Ipsi, ich schätze mal grob, dass eine Geburt noch wesentlich gefühlsintensiver ist als deine szenische Darstellung oben; außerdem sind nicht alle, sondern die wenigsten Frauenromane reiner Kitsch.
"Unrealistische Gefühle" stimmt auch nicht ganz ^^ Bei Twilight zum Beispiel habe ich alle Gefühle der Protagonistin real mitgefühlt... auch die allerabsurdesten ^^ Und das war ein sehr schönes Erlebnis...

Und was realistische Emotionen für den einen sind, wirkt auf den zweiten eventuell überzogen und für einen dritten gefühlskalt. Ich denke schon, dass man zwischen "purple prose" und gefühlsintensiven, aber dennoch realistischen (Frauen-) Romanen unterscheiden kann.

Padreic
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Mo 15. Nov 2010, 02:07 - Beitrag #11

Ich hatte bei mir auch schon länger die Beobachtung gemacht, dass ich mit Literatur von Frauen eher weniger anfangen kann. Halbwegs Ausnahmen gibt es natürlich, aber nicht viele:
  • Harry Potter - hab ich sehr gern gelesen, war spannend und so, hat mir letztlich aber auch nicht so viel gegeben.
  • Riddlemaster-Trilogie - ordentlich geschrieben, durchaus interessant, nicht der typische Frauenzentralcharakter wie bei der von Traitor genannten Fantasy
  • Jane Eyre - das fand ich wirklich gut

Insgesamt fühlen sich Bücher von Frauen für mich tendentiell (ohne dass ich endlos Erfahrung hab) zu weiblich an - sie sprechen nicht meine psychische Sprache. Männliches und weibliches Denken und Empfinden sind nicht reiner Mythos, auch wenn natürlich nie absolut zu sehen. Letztlich spricht mich wohl die allermeiste Literatur nicht wirklich an, es gibt genügend Literatur von Männern, die mir belanglos erscheint oder deren Belange mich zumindest nicht interessieren - aber Bücher, die für mich von Belang sind, waren bisher zu mindest 95% von Männern geschrieben.

Und das mit der psychischen Sprache - das hat nichts mit dem zu tun, was man als 'äußerlich harte Handlung' bezeichnen könnte, oder zumindest doch sehr wenig. Natürlich lese ich ab und zu auch mal ganz gern einen Roman, der im engeren Sinne als Männerbuch zu bezeichnen sein könnte (mein alter Liebling 'die Marodeure von Gor' kommt mir da z. B. in den Sinn) - aber die meisten meiner wirklich lieben Romane gehen nicht in die Richtung.

Und ich mag auch gern Emotionen in Büchern. [Auch wenn ich sie nicht wirklich notwendig finde ('Der Richter und sein Henker' und 'Der Spion, der aus der Kälte kam' sind z. B. richtig gut konstruierte Geschichten mit wenig Emotionen - und Bücher, die mir sehr gut gefallen haben).] Auch ich habe schon bei Büchern geweint. Genau genommen vor allem bei zwei Kästner-Romanen: 'Das fliegende Klassenzimmer' und 'Fabian'. Für dieses Weinen habe ich mich sicher keinen Moment geschämt.

Ipsissimus
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Mo 15. Nov 2010, 11:18 - Beitrag #12

bzgl. "härteste Krimis", Feuerkopf, kennst du die Burke-Romane von Andrew Vachss? Ab "Bluebelle" musst du da wirklich aufpassen, dass dir nicht der Kopf wegfliegt. Oder "Sheila", das zweitschlimmste, was ich je gelesen habe

dass eine Geburt noch wesentlich gefühlsintensiver ist als deine szenische Darstellung oben
selbstverständlich, e-noon, zumindest dann, wenn du eine reale Geburt mit einer fiktiven Geschichte vergleichst^^ wenn beides gleichermaßen fiktiv oder gleichermaßen real ist, wage ich zu behauoten, dass es dann auf den Menschen ankommt, der/die die Dinge erlebt^^ und wenn die Geburt fiktiv, die Liebesszene aber real ist, stimmt deine Bemerkung gar nicht mehr^^

vielleicht könnte man den Unterschied dann so fassen, dass Frauen eine erhöhte ... Befähigung dafür haben, fiktive Situationen so aufzunehmen, als wären es reale Situationen, und dann die gemutmaßten Gefühle der realen Situationen zu empfinden? Aus meiner Sicht ist das eine Art ... nun ja ... l´art pour l´art, bei der die realen Situationen nur verlieren können, weil sie selten in der Reinform auftreten, die fiktiven Situationen oft innewohnt. Reale Gefühle sind immer gebrochen^^ nicht wie bei Twilight-induzierten Gefühlen^^ außerdem gehen große Gefühlsbefindlichkeiten nicht automatisch mit großer Gefühlstiefe oder -intensität einher^^

außerdem, die bis jetzt besprochene Literatur ist allesamt im Trivia-Bereich angesiedelt. Die hier angesprochenen Unterschiede der emotionalen Ausgestaltung relativieren sich ganz massiv, sobald man Hoch-Literatur als Grundlage und Maßstab nimmt. Simone de Beauvoir, die Bronte-Schwestern, die Günterrode, Betina von Arnim uvm. waren Schriftstellerinnen höchsten Grades, die mit jedem Mann mithalten konnten, und nicht ins Gefühlsduselige abgedriftet sind.

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Mo 15. Nov 2010, 11:45 - Beitrag #13

vielleicht könnte man den Unterschied dann so fassen, dass Frauen eine erhöhte ... Befähigung dafür haben, fiktive Situationen so aufzunehmen, als wären es reale Situationen, und dann die gemutmaßten Gefühle der realen Situationen zu empfinden? Aus meiner Sicht ist das eine Art ... nun ja ... l´art pour l´art, bei der die realen Situationen nur verlieren können, weil sie selten in der Reinform auftreten, die fiktiven Situationen oft innewohnt. Reale Gefühle sind immer gebrochen^^ nicht wie bei Twilight-induzierten Gefühlen^^ außerdem gehen große Gefühlsbefindlichkeiten nicht automatisch mit großer Gefühlstiefe oder -intensität einher^^

Ich denke, das trifft es sehr gut. Die gefühlsbetonten Bücher (-duselig ist abwertend), die ich lese, lese ich nicht, weil ich mal hören will, wie man sich als reiche wunderschöne vergötterte etc Frau fühlt, sondern weil ich es erleben will. Und da haben Frauen tatsächlich die Fähigkeit, sich selbst einzusetzen, wo die lästige Hauptfigur (siehe Bella in Twilight) nur stören würde, und das Geschehen aus ihrer Sicht zu erleben. Dass solche gefühlsintensiven Bücher auch Einfluss auf Männer haben, zeigte sich in meinem Bekanntenkreis, wo zwar deutlich weniger Männer als Frauen Twilight lasen, jedoch die Männer genauso begeistert waren wie die meisten Frauen, während zwei meiner Freundinnen mit dem Buch überhaupt nichts anfangen konnten. Mit "Gefühlsintensität" meine ich die in dem Moment gefühlte Intensität, nicht den Einfluss auf das reale Leben oder anderes, wobei auch letzteres bei Twilight (oder Werther, das auch recht gefühlslastig ist) in extremem Maße vorhanden ist.

Dürrenmatt ist ein guter Schriftsteller, das ist nicht zu bestreiten. "Der Richter und sein Henker" ist ja so eine Art psychologischer Kriminalroman, wenn ich das mal unbeholfen einordnen darf. Daher möchte ich an dieser Stelle meine Behauptung von weiter oben stützten, dass Frauen in diesen eher "männlichen" Rubriken (es würde wohl keiner behaupten, dass Kriminalromane typisch weiblich seien) ebenso Erfolg haben, auch wenn prozentual weniger Frauen sich daran beteiligen als Männer:

Insgesamt schrieb Agatha Christie 66 Kriminalromane, aber auch Kurzgeschichten und Bühnenstücke. Nach konservativen Schätzungen hat Agatha Christie über zwei Milliarden Bücher verkauft, wie ihr Enkel und Erbe Mathew Prichard auf der offiziellen Christie-Website betont. Damit gilt sie als die erfolgreichste Kriminalschriftstellerin der Welt.
[...] Darüber hinaus gibt es zahlreiche Verfilmungen ihrer Bühnenstücke und Romane. Ihre Bücher sind die meistverkauften Bücher der Welt nach der Bibel. Zudem gilt sie als Autorin, die am häufigsten übersetzt wurde.

Ipsissimus
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Mo 15. Nov 2010, 12:25 - Beitrag #14

Die gefühlsbetonten Bücher (-duselig ist abwertend), die ich lese, lese ich nicht, weil ich mal hören will, wie man sich als reiche wunderschöne vergötterte etc Frau fühlt,
das eigentliche Problem besteht darin, dass in der Realität reiche, wunderschöne und vergötterte Frauen allzuoft enden wie Marilyn Monroe, selbst wenn sie gerade noch mal am Selbstmord vorbei kommen^^

e-noon
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Mo 15. Nov 2010, 12:40 - Beitrag #15

Nein, das Problem besteht nicht darin; sicher das Problem Marylin Monroes und anderer Stars, aber zum einen möchte ich behaupten, dass nicht Schönheit und Ruhm, sondern ihre äußerst schwere Kindheit und einhergehende Bindungsängste ihr Problem waren, und zum anderen geht es in den Frauenromanen, die ich lese und mag, in erster Linie um Liebe (durchaus auch gesunde Liebe und ungesunde Liebe), in zweiter Linie um Freundschaft, in dritter Linie um Reifung und Selbstbewusstsein und erst in vierter Linie um das schmückende Beiwerk eines guten Aussehens, Jobs, Vermögens etc.
Probleme mit eskapistischer Literatur allgemein können natürlich überall da auftreten, wo ein starker Mangel an Rückhalt im realen Leben und ein starker Wunsch nach Veränderung mit rein passivem Konsum kompensiert wird, aber darin unterscheiden sich Liebesromane wenig von WoW oder Second Life; eher sind sie harmloser, da das Buch irgendwann zuende ist, man es zur Not ganz aus seinem Leben entfernen kann (anders als einen Computer, in den meisten Fällen) und Lesen immer noch besser ist als am PC zu hocken ^^ Mindestens für die Augen.

Feuerkopf
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Mo 15. Nov 2010, 12:44 - Beitrag #16

Ipsi,
du unterscheidest immer noch nach E- und U-Literatur? :rolleyes:

Es ist auch fraglich, ob man Literatur des 19. Jahrhunderts mit der des 21. vergleichen kann. Die Sprache war eine andere. Bettina von Arnim würde mit Sicherheit heute anders schreiben.

Wie ich schon sagte, halte ich ausgerechnet einen Mann für das größte Talent in Sachen Charakterisierung von Romanfiguren: Stephen King.
Über seine Plots kann man trefflich streiten und auch ich, als geschworene King-Anhängerin - finde, er könnte sich gelegentlich kürzer fassen ;), aber seine Protagonisten und Bösewichte suchen wirklich ihresgleichen, weil sie allesamt gebrochen und grausam realistisch sind. Außerdem beherrscht er die Kunst, hart mit seinen Helden umzugehen.
Will sagen: Bei seinen Büchern klappt es 1 a mit der Identifikation.

Zur Zeit lese ich eher wenig. Das hat auch mal was Befreiendes. Ich habe den Kopf so voller eigener Gedanken, dass ich Fremdes kaum brauchen kann.
Eine Ausnahme gibt es, auch von einem Mann. Ein Roman, der sowohl Männer als auch Frauen begeistert und tief packt - obwohl er heiter und stellenweise lustig daher kommt.
"Zwischen allen Wolken" von Michael Gantenberg.

Und, Ipsi, noch gräßlichere Bösartigkeiten als die der McDermid mag ich echt nicht lesen. :boah: Ich bin doch so sensibel!

e-noon,
"Twilight" ist so ein eigenes Thema. Den ersten Band habe ich gern gelesen, aber der zweite hat mich so gelangweilt, dass ich ihn weggelegt habe.
Ich kann langfristig nicht auf ein solch sonderbares Frauenbild. Die Gute leidet mir zuviel und es ist mir zu moralisch. ;) Als Teenager hätte ich 100 pro drauf gestanden.

e-noon
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Mo 15. Nov 2010, 12:52 - Beitrag #17

Feuerkopf, ich habe es ja auch als Teenager zum ersten Mal gelesen ^^
Das meinte ich aber mit dem "Man kann sich selbst einsetzen" - Bella nervt spätestens ab dem zweiten Band, eigentlich schon am Ende des ersten
"Nein, ich will nicht zum Ball" - "Na gut, wenn mich mein wunderschöner starker Freund zwingt, hinzugehen, dann gefällt es mir auch" -
Twilight kann durchaus problematisch sein für weibliche Teenager mit niedrigem Selbstwertgefühl. Das möchte ich auch gar nicht bestreiten, daher auch der Vergleich mit Werther, der ja auch ziemlichen Eindruck gemacht hat und instabile Menschen zu Kurzschlusshandlungen bewegt hat. Allerdings kann man Twilight problemlos ohne Bella lesen - aber eine spezifische Diskussion darüber wäre wohl im Twilight-thread besser aufgehoben.

Da du spezifisch Romanfiguren schreibst, ist mein Einwand nur halb berechtigt, aber Shakespeares Charakterzeichnung (lese grade Othello) ist auch nicht von schlechten Eltern. Für noch besser halte ich allerdings J.K. Rowling - welcher der Leser von Harry Potter könnte ihn sich nicht in seinem Wohnzimmer vorstellen, mit gezücktem Zauberstab, weil er nicht weiß, wer ihn hergeholt hat, oder mit rußverschmiertem Gesicht aus dem Kamin purzelnd, oder mit einer schwunghaften Bewegung den Tarnumhang abstreifend - wer kann sich nicht vorstellen, was er dann sagen oder tun würde?

Feuerkopf
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Mo 15. Nov 2010, 12:57 - Beitrag #18

Shakespeare ist ein bisschen außen vor, denn er war ja kein Romancier.
Ansonsten waren/sind seine Charaktere sehr "modern" im Sinne von "archetypisch".

Frau Rowlings hat es geschafft, eine Romanreihe zu schreiben, in der die Helden glaubwürdig älter werden und mit ganz und gar nicht altersgerechten Problemen konfrontiert werden. Dafür liebe ich sie.

Deinen Vorschlag, Bella einfach zu ignorieren, finde ich gut. ;)

Ipsissimus
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Mo 15. Nov 2010, 13:24 - Beitrag #19

jo, Feuerkopf, ich trenne nach wie vor und gegen alle modernen Trends der Rezeptionspraxis hohe von Unterhaltungs-Kunst, und je älter, je schärfer; allerdings sehe ich durchaus fließende Grenzen. Das trennende Kriterium ist bei allen Künsten dasselbe: bei der U-Sparte fügt die intellektuelle und ästhetische Beschäftigung mit dem Werk und seinen Rahmenbedingungen seinem Verständnis keine signifikanten Aspekte mehr hinzu; das Werk ist mit seiner Oberflächenstruktur vollständig verstanden. Bei hoher Literatur wie bei ernstzunehmender Musik entgehen dir ohne entsprechende Auseinandersetzung 90 Prozent des Gehalts.

Simone de Beauvoir war keine Schriftstellerin des 19ten Jahrhunderts. Sylvia Plath auch nicht, Virginia Woolfe nicht, Margaret Atwood nicht, Ingeborg Bachmann nicht, und alle diese Frauen (und noch jede Menge weitere) schreiben eine Literatur, hohe Literatur, die mir als Mann unter die Haut geht ohne im geringsten gefühlslastig zu sein.

Es ist meiner Auffassung nach also überhaupt nicht die Frage, ob ein Mann oder eine Frau Literatur verfasst. Der Unterschied besteht darin, ob es gute oder schlechte SchrifstellerInnen sind.

e-noon, bezüglich des "man kann sich selbst einsetzen" - wenn du im realen Leben so unabweisbar mit dem irreversiblen Ende fundamentaler Aspekte deines Weltbildes konfrontiert würdest, wie es bei der realen Konfrontation mit realen Vampiren der Fall wäre, würdest du erst mal einen metaphysischen Schock erleiden. Und ob du dich von dem wieder erholen könntest, bliebe abzuwarten^^

e-noon
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Mo 15. Nov 2010, 13:35 - Beitrag #20

Der Unterschied besteht darin, ob es gute oder schlechte SchrifstellerInnen sind.

Das finde ich absolut ungerechtfertigt. Ist man ein schlechter Bauarbeiter, wenn man ein normales Haus baut und keinen Palast? Der Unterschied zwischen "hoher" und Unterhaltungsliteratur liegt nicht zwangsweise in den Fähigkeiten, sondern in der Zielsetzung. Man muss kein schlechter Autor sein, um Unterhaltungsliteratur zu schreiben, man kann sogar ein genialer Autor von Unterhaltungsliteratur sein, ohne damit eine Befähigung zu hoher Literatur zu haben - und ohne deswegen notwendig "schlecht" zu sein. Vielleicht wären Simone de Beauvoir oder Camus ebenso unfähig gewesen, reine Unterhaltungsromane zu schreiben; und vielleicht enthält Twilight einen hohen Erkenntniswert, wenn man es näher untersucht, ohne, dass das von der Autorin beabsichtigt wäre.

e-noon, bezüglich des "man kann sich selbst einsetzen" - wenn du im realen Leben so unabweisbar mit dem irreversiblen Ende fundamentaler Aspekte deines Weltbildes konfrontiert würdest, wie es bei der realen Konfrontation mit realen Vampiren der Fall wäre, würdest du erst mal einen metaphysischen Schock erleiden. Und ob du dich von dem wieder erholen könntest, bliebe abzuwarten^^

Mal abgesehen davon, dass der fundamentalste Aspekt meines Weltbildes eine Art positiver Skeptizismus ist (alles ist möglich aber nicht alles ist wahrscheinlich) ^^

Natürlich hast du da recht. Fantasy und Science Fiction funktionieren nur mit suspension of disbelief ("Aussetzung der Ungläubigkeit" ^^). Im übrigen ist Twilight nur an der Oberfläche eine Vampirgeschichte ;)

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