Ungekürzte Ausgaben von Klassikern sind wie zu erkennen?

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Maglor
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Mi 13. Aug 2014, 23:25 - Beitrag #1

Ungekürzte Ausgaben von Klassikern sind wie zu erkennen?

Ich interessiere mich mehr und mehr für klassische Abenteuerromane des 19. Jahrhundert: Lederstrumpf-Reihe, Moby Dick, Jules Vernes Werke usw.

Leider gibt es da ein großes Problem. Auf dem Markt sind sehr viele starke gekürzte Ausgaben, teilweise zielsicher zensierte Jugendausgaben.
Neue Editionen oder gar Neuübersetzungen gibt es in der Regel nicht, dafür eine kaum zu überblickende Anzahl alter. Die Beschreibung bei Amazon sind dürftig. Gelegentlich passen alle 5 Bände der Lederstrumpf-Reihe in einen Band, weil eben so viel gestrichen ist.
Die seriösen Verlage haben sich der Frühform des Schundromans leider kaum angenommen, dabei bilden diese Erzählungen doch den Bodensatz unserer Kultur.

Der sichere Weg sicher das englisch Original, aber irgendwie siegt bei mir immer die Faulheit.

Traitor
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Mi 13. Aug 2014, 23:38 - Beitrag #2

Mit dem Problem hatte ich als Jugendlicher auch öfter zu kämpfen. "Jugendausgaben" sind natürlich schonmal eindeutige Alarmzeichen, aber wie du sagst, sind leider auch bei Erwachsenenausgaben die Kürzungen oft nicht klar erkennbar.

Von manchen Autoren mag es kritisch editierte Neuauflagen geben, aber die besten Chancen hat man vielleicht mit e-books?

Bei Jules Verne würde ich übrigens vom englischen Original abraten, da scheinen mir Betrüger am Werk zu sein. ;)

Von "Schundromanen" würde ich in diesem Zusammenhang übrigens nicht sprechen, da gab es gerade auch im 19. Jahrhundert ganz andere Kandidaten für, z.B. die hier diskutierten.

janw
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Mi 13. Aug 2014, 23:47 - Beitrag #3

Im Zweifel würde ich den Buchhändler des Vertrauens danach befragen. Eigentlich sollte es problemlos möglich sein, von diesen Werken vollständige Originalausgaben zu beschaffen. Mag höchstens sein, daß die Übersetzung sprachlich nicht ganz auf heutigem Niveau ist.

Das mit dem Bodensatz klingt etwas zweideutig^^

Traitor
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Do 14. Aug 2014, 00:18 - Beitrag #4

Nunja, was nicht in den Katalogeinträgen steht, und das ist meistens eher weniger als bei Amazon, wissen auch die meisten Buchhändler nicht.

Bei Jules Verne ging ich bisher immer davon auss, dass die "Schwarze Reihe" (Verlag Neues Leben Berlin aus den 80ern) ungekürzt wäre; nachdem schon das erste Suchergebnis bei zwei Bänden Kürzungen zugibt, muss ich das aber wohl als Illusion abhaken.

Ipsissimus
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Do 14. Aug 2014, 09:06 - Beitrag #5

eBooks sind auch nicht vertrauenserweckender als Papierausgaben.
Ansonsten nur nach "ungekürzten Ausgaben" suchen, bei denen das also explizit im Buch selbst wortwörtlich vermerkt ist.

Traitor
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Do 14. Aug 2014, 09:36 - Beitrag #6

Nicht vertrauenserweckender per se, aber leichter überprüfbar (Suchfunktion). Und bei Klassikern kostenlos, also geringeres Risiko.

Maglor
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Do 14. Aug 2014, 13:04 - Beitrag #7

Das Problem ist, dass die Werke seit über 100 Jahren kursieren. Es gibt auch noch so schlimme Dinge wie Raubdrucke. Die Sache ist ziemlich unübersichtlich. Wahrscheinlich steht auch nur in den besseren Ausgaben bzw. in den seriöseren Kürzungen vorne im Buchduckel ganz klein irgendwo "Text bearbeitet und gekürzt gekürzt von N.N.".
Eine Möglichkeit ist es, sich auf seriöse Verlage und Reihen zu verlassen. Die haben aber auch ihre Grenzen. Vor allem scheinen sie sich aber für die Art von Literatur kaum zu interessieren.

Die Sache ist ziemlich undurchsichtig. Bei Amazon steht meistens nicht dabei, ob ein Werk gekürzt. Teilweise sind die Kommentare eine Hilfe. Da schreiben dann die unzufriedenen Kunden, dass das Werk eine stark gekürzte Jugendausgabe ist, was aus der Bedrucktbeschreibung nicht erkennbar ist.
Meistens sind die Sachen nur antiquarisch erhältich. Eigentlich muss das Buch in die Hand nehmen.
Seriöse Buchhändler kenne ich jetzt keine mehr. Mein letzter Dealer hatte vor Jahren Insolvenz. Mit Antiquariaten hatte ich bis jetzt weniger zu tun. Vielleicht sollte ich Dean Corso beauftragen.


Häufiger werden prunkvolle Sammlereditionen angeboten, aber ich habe bereits die Erfahrung gemacht, dass Hardcover, Illustrationen usw. keineswegs eine Garantie für die Qualität der Edition sind. Außerdem sind sie ziemlich teuer und braucht ein neues Regal.
Elektronische Bücher kommen für mich nicht in Frage, sind aber im Angebot.

Zitat von janw:Das mit dem Bodensatz klingt etwas zweideutig^^

Das war auch so gemeint. Das interessante ist, dass diese Geschichten die Grundlage der heutigen Pop-Kultur bilden und immer und überall meistens unwissentlich zitiert werden. Es ist die Mythologie der Moderne.

Ipsissimus
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Do 14. Aug 2014, 13:25 - Beitrag #8

Zitat von Traitor:Nicht vertrauenserweckender per se, aber leichter überprüfbar (Suchfunktion).


das setzt aber voraus, dass du bereits eine Referenz zur Verfügung hast. Die könntest du dann auch gleich zur Lektüre benutzen^^

Traitor
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Do 14. Aug 2014, 13:36 - Beitrag #9

@Maglor: Was verstehst du eigentlich unter "seriösen Verlagen"? Ein großer Name allein hilft sicher nicht, Beispiel Heyne; wohl auch noch nichtmal einer, der parallel für "gehobene Literatur" steht, Beispiel Diogenes. WP behauptet z.B., die Diogenes-Verne-Ausgaben seien "werkgetreu", mein "Zwei Jahre Ferien" gibt aber "leicht gekürzt" zu, und "Reise um die Welt in 80 Tagen" macht zwar keine Kürzungs-, aber leider auch keine explizite Vollständigkeitsangabe.

@Ipsissimus: Ich ging implizit davon aus, dass es Fanseiten gibt, die Beispielstellen typischer Kürzungsopfer nennen, nach denen man dann suchen kann. War mir für Verne iirc mal untergekommen, evtl. sogar auf der Seite des Experten, den wir hier vor Jahren mal als kurzzeitigen Gast hatten.

janw
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Do 14. Aug 2014, 14:43 - Beitrag #10

Nach kurzer Suche:
James Fenimore Cooper:
Der letzte Mohikaner

Neu übersetzt von Karen Lauer.

Carl Hanser Verlag;
656 Seiten; 34,90 Euro.


und:
insel taschenbuch 3542, Broschur, 457 Seiten
ISBN: 978-3-458-35242-6


5-bändigen Taschenbücher aus dem Insel-Verlag (Insel Taschebücher Nr. 179 - 183) aus dem Jahre 1977.


Im Fischer-Verlag hat es wohl auch noch eine Ausgabe gegeben.

Das Problem scheint zu sein, daß bereits die Übersetzer um 1900 gekürzt haben und sich das weiter durchzieht.

Maglor
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Do 14. Aug 2014, 17:57 - Beitrag #11

"Der letzte Mohikaner" ist gar nicht das Problem. Ich habe die neue Ausgabe vom Fischer-Verlag. Die Edition ist wirklich vorbildlich, da es entsprechende Angaben zu Übersetzung, nicht vorhandender Kürzung usf. gibt.

Die Übersetzung stammt allerdings aus dem 19. Jahrhundert und das ist auch gut so. Ich mag die alte Sprache.
Vor Neuübersetzungen habe ich allerdings ein wenig Angst. Der Trend geht ja dazu, die Geschichten dem Zeitgeist anzupassen. Aktuell wird Mark Twain und Astrid Lindgren der Neger ausgetrieben, aber das ist ein anderes Thema.

Das Problem sind die anderen Bände der Lederstrumpf-Erzählung.

Zitat von janw:Das Problem scheint zu sein, daß bereits die Übersetzer um 1900 gekürzt haben und sich das weiter durchzieht.

Exakt da fängt das Unglück an. Leider scheint es seitens der Verlage kein großes Interesse diesen Mangel zu beheben. Wahrscheinlich gibt es auch keinen richtigen Markt für ernsthafte Editionen dieser Art in Deutschland zu geben. Das literaturgeschichtliche Interesse an den Stoffen erscheint mir auch eher gering, trotz aller Bedeutung und Wirkungsgeschichte.

Zitat von janw:Nach kurzer Suche:

5-bändigen Taschenbücher aus dem Insel-Verlag (Insel Taschebücher Nr. 179 - 183) aus dem Jahre 1977.

Das ist ein typischer Beispiel für eine Protzausgabe. Neupreis 185 €, das wären 37 € pro Band.
Der Kommentar bei Amazon sagt schon mal viel zur Problematik:
Zitat von Amazonier:Die 5-bändige Ausgabe des Insel-Verlages stellt eine weitgehend originalgetreue Wiedergabe des Originals von James. F. Cooper dar, was man von zahlreichen anderen Versionen nicht gerade behaupten kann. Die Insel-Verlag-Ausgabe ist eine der wenigen Fassungen, die in Stil und Vollständigkeit dem Gesamtwerk "Lederstrumpf" am nächsten kommen.
Leser, die dieses Werk kennen oder besitzen, sind an dieser Stelle aufgefordert, ihre Meinung kund zu tun; gern auch über persönlichen Kontakt.

Der letzte Satz deutet daraufhin, dass sich der Amazonier gar nicht sicher ist, ob die Ausgabe wirklich gut ist, weil er zum Vergleich nur den letzten Schrott hat. ;)

Ganz anders sieht es bei frühem Science Fiction aus. Die Klassiker werden eigentlich überall zu Hauf in annehmbaren Editionen angeboten, aber wehe man wagt sich an Werke von Jules Verne, die kein Sci-Fi sind.


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