"Komisch..", sagte Dreigar. "Sollen wir sie suchen?"
Ibeth hob die Hand. "Meinetwegen sucht das Kind, dann müsst ihr aber auf mich verzichten. Ich werde ihr nicht wie ein Hund nachrennen. Am Besten wäre es gewesen, wenn ich sie damals schon getötet hätte." Ihre Augen sahen Julianne zornig an, denn sie war es gewesen, die sie abgehalten hatte.
"Falls ihr fertig seid und wir weiterziehen - sagt mir Bescheid...", knurrte sie, sah Dreigar noch kurz in die Augen und schritt dann an Julianne und Dyke etwas schwankend vorbei.
Sie stieß die Tür auf, ging hinaus, schloss sie wieder hinter sich und als einige Sonnenstarhlen auf sie fielen... da kam es ihr vor, als würde ihr Leib im Feuer untergehen, wie er es schon so oft hätte tun sollen. Sie verkniff sich einen Schrei, sonst wären zuviele auf sie aufmerksam geworden. Doch wie von ihrem Feind verfolgt rannte sie in die nächste beschattete Gasse, wo sie sich ohne jegliche Kraft niederlies. Sie konnte nicht mehr.. Viel zu lange hatte sie sich schon zurückgehalten. Viel zu lange.
Ibeth fuhr sich durchs Haar und öffnete dabei leichte ihre Lippen. Und aufeinmal begann sie leise zu singen. Ein Lied, das niemand mehr kannte, denn niemand (abgesehen von ihr) war von dieser Zeit mehr übrig...
Ein schönes Lied war es, auch wenn es etwas traurig und "böse" klang. Sie lies ihren Blick zum Anfang der Gasse, wo sie hergekommen war, fallen und sah einem jungen Elf entgegen. Er war wohl, von ihrem Gesang gefesselt, stehengeblieben und starrte nun unsicher in die Dunkelheit. Ibeth` Gesang verstummte. Der junge Elf kam einige Schritte auf sie zu, seine grauen Augen blickten sie an.
"Wer seid ihr? Ich habe euch hier noch nicht gesehen..", sagte er.
"Willst du wissen, wer ich bin?", lächelte sie.
"Ja, gerne. Sagt mir euren Namen, denn ich habe noch nie jemanden so schön singen hören!"
"Dann komm her. Ich flüstere ihn dir ins Ohr, ich will nicht, dass es gleich jeder hört." Ihr Lächeln wurde breiter.
Sie hatte ihr Opfer gefunden. Wahrlich ein naives Kind...
Der Elf lächelte glücklich, ging leise zu ihr und ging vor ihr auf die Knie. Dann beugte er sich nach vorne und hielt ihr das Ohr, bzw. den nackten Hals hin. Auch die Magierin beugte sich nach vorne.
"Elisabeth... Aber du kannst mich gerne Ibeth nennen..", hauchte sie und als er seinen Kopf wieder zurückziehen wollte, hatten ihre kalten Hände seinen Nacken gepackt. Sie hielt ihm ein Tuch vor den Mund, um seine Schreie etwas zu dämpfen. Dann rammte sie ihre Zähne in den jungen unberührten Hals.
Nach einigen Minuten schrie der Junge nicht mehr und Ibeth stieß ihn weg. Ohne einen Funken Dankbarkeit, da er ihr neue Kraft "geschenkt" hatte. Aber sie hatte auch keine Zeit, denn eine junge Frau, kein Stück von ihr entfernt, lenkte sie ab.
Hatte sie alles gesehen? Hatte ...
"Du... du hast mein Kind getötet!", kreischte sie und starrte mit geweiteten Augen auf den toten Körper vor Ibeths Füßen.
"Ja, das habe ich. Nun sind wir quitt. Vor einigen Jahrhunderten hat Eure Rasse auch meinen Sohn getötet.", lächelte sie und stand auf. Ihre Hand suchte den Dolch. Diese Frau hatte zuviel gesehen. Zuviel.
DIe Magierin zog die Waffe und schleuderte ihn auf die junge Frau zu, doch sie hatte die Schnelligkeit der Elfen vergessen: Die Mutter war schon hilfe-schreiend aus der Gasse gerannt.
Gut gemacht. Nun bist du wieder die Alte, die die ich kenne. Deine Augen sehen wieder so scharf, wie die der Elfen es wohl nie können...
"Sei still!", zischte sie und hob den Jungen hoch. Sie warf ihn sich über die Schulter und rannte zum anderen Ende der Gasse.
Sie konnte nicht länger in dem Dorf bleiben, die anderen würden schon wissen, dass sie ein Stück abseits auf sie warten würde.
Hoffentlich würden sie sich beeilen und nicht zuviel Zeit in die Suche nach Elbereth investitieren.
Ibeth war bei den Ställen angekommen und war zu einem Pferd gerannt. Dem einzigen Pferd, dem sie wohl traute: Das von Dreigar.
Sie stieg hinauf und setzte den Jungen vor sich in den Sattel.
Sie hatte ihn zwar getötet, abe sie würde ihn auch begraben.
"Los!", schrie sie und das Pferd rannte so schnell es konnte in die Ebenen.
Hinter sich hörte sie Schreie - natürlich würden die Elfen sie verfolgen. Aber nicht sehr lange. Vorne im Wald würde sie selbst vor den Elfen sicher sein.
Dort würde sie dann auch auf Julianne, Dreigar, Dyke und vielleicht auch Elbereth warten...