Ich habe heute ein Referat über Rudolf Carnaps Aufsatz "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache" gehalten, in dem Carnap unter anderem behauptet, dass die Kunst keinen theoretischen Gehalt besäße, also nichts empirisch prüfbares über die Welt aussagt, sondern stattdessen nur ein gewisses Lebensgefühl ausdrückt.
Da es hier eine Reihe an Usern gibt, die in irgendeiner Weise an Kunst interessiert sind, sollte fast jeder etwas zu dieser These sagen können.
Ich selbst kann dieser These nicht zustimmen. Es gibt Kunst, die ganz offensichtlich etwas über die Welt aussagt, bzw. der Künstler etwas über die Welt durch das Kunstwerk aussagen will. Zwei Beispiele:
1. Ein naturalistisches Drama, in dem die negativen gesellschaftlichen Verhältnisse dargestellt werden sollen. Man kann der Aussage des Dramas "unsere Gesellschaft ist so und so" entweder zustimmen oder sie verneinen. Dieses Urteil über die Aussage (die "Message") des Dramas lässt sich wiederum mit empirischen Daten stützen. (Ein Drama stellt für mich ein literarisches Kunstwerk dar.)
2. Wenn ich MTV einschalte und ein Rapper erzählt mir, dass es die Ausländer in Berlin schwer haben einen Job zu bekommen und deshalb kriminell werden, dann ist das eine Aussage der ich zustimmen kann oder nicht. Auch dieses Urteil lässt sich wieder empirisch stützen. (Ob mir nun HipHop als Musik gefällt spielt dabei keine Rolle. Es bleibt Musik und damit eine Form von Kunst.)
Natürlich werden die Aussagen in der Kunst nicht so codiert, wie z.B. in einer soziologischen Feldstudie oder einer Abhandlung über Quantenphysik. Dennoch haben wir es hier meiner Meinung nach oft mit Aussagen zu tun - eben nur in anderer Form.
Schwieriger finde ich dagegen die Frage, ob jede Kunst etwas aussagen will. Hat z.B. das angehängte Bild von Paul Klee einen theoretischen Gehalt?
Wollte uns Klee etwas durch dieses Bild mitteilen? Oder geht es bei solcher Kunst "nur" um den Ausdruck von Emotionen? Ist aber nicht auch der Versuch, seine Emotionen auszudrücken, ein Versuch, etwas über die Welt zu sagen? Kann man hier von Aussagen sprechen und können sie bejaht oder verneint werden?
(Neben abstrakter Malerei sind auch viele musikalische Werke Beispiele für solche Problemfälle. Wollte uns z.B. Mozart mit seiner kleinen Nachtmusik etwas über die Welt sagen?)
Ich hoffe, dass sich an dieser Diskussion auch ein paar beteiligen, die in dieser Sektion normalerweise nicht aktiv sind. Ich denke, das sind Fragen, zu denen jeder was sagen kann. Zwar ist Sprachphilosophie kein einfaches Gebiet, aber von mir aus kann es in diesem Thread ruhig ein wenig lockerer zugehen, wenn dafür eine interessante Diskussion entsteht.
PS: Niemand braucht Carnap, seine Philosophie oder den von ihm genannten Aufsatz zu kennen, um hier was sagen zu dürfen. Der Verweis auf Carnap sollte nur erklären, was mich zu diesem Thread motiviert hat.