Nein, ich bin nicht fremdgegangen und habe auch nicht vor, dies zu tun. Da aber (fast) jeder mal die ein oder andere Phantasie in diese Richtung hat, habe ich mich gefragt, was daran eigentlich so schlimm ist. Klar, niemand will, dass sein Partner fremd geht, aber er (oder sie) selbst denkt darüber nach - idR natürlich nicht ernsthaft.
Aus soziobiologischer Sicht ist die Frage leicht zu beantworten, warum wir nicht wollen, dass der Partner fremd geht: Die Frau will nicht, dass der Mann mit anderen Frauen Kinder zeugt und dann Zeit und Energie in deren Kinder investiert und weniger in die eigenen. Der Mann will nicht, dass die Frau mit einem anderen Sex hat, damit er sicher sein kann, dass die Kinder, die sie bekommt, auch wirklich seine sind. Immerhin will das "selfish gene" erstmal sich und seine eigenen Kopien erhalten und nicht fremde Gensätze.
Doch heute kann sich der vernünftige Mensch diese Risiken umgehen: Man benutzt Anti-Baby-Pillen oder Kondome ... oder am besten beides. Eine Schwangerschaft ist mit dieser Kombination äußerst unwahrscheinlich. Das "selfish gene" weiß natürlich nichts von diesen Errungenschaften und macht die meisten weiter eifersüchtig bei dem Gedanken, der Partner könnte fremdgehen.
Da der Mensch aber mehr ist, als die Summe seiner Gene, kann er sich darüber Gedanken machen, ob diese Reaktion noch zeitgemäß ist. Wenn man selbst und/oder der Partner sich auch mal mit jemand anderes vergnügen will und die entsprechenden Schutzmaßnahmen beachtet, was spricht dann dagegen?
Es gibt Paare, die sich deshalb darauf geeinigt haben, auch andere Sexualpartner zu erlauben. Man spricht dann oft von einer "offenen Beziehung". Mir gefällt dieser Ausdruck nicht so gut, klingt er doch für mich so, als ob die Beziehung "lose" sei, was es keinenfalls sein muss. Und es gibt sogar Paare, die zusammen in Swingerclubs gehen.
Aber warum ist diese sexuelle Treue für viele noch so wichtig? Viele behaupten, sofort mit dem Partner Schluss zu machen, wenn sie erfahren sollten, dass er fremdgegangen sei.
Eine Ursache wurde mit dem Verweis auf das "selfish gene" bereits genannt. Ähnlich gewichtig, wenn nicht sogar stärker wird dabei die Sozialisation sein.
Doch wenn wir uns selbst darüber aufgeklärt haben, woher dieses Ideal kommt und zu dem Schluss kommen, dass es keinen guten Grund mehr gibt, dieses in dieser Rigorosität zu vertreten, warum tun es die meisten dann trotzdem?
1. Vermutung: Viele haben Angst, dass der Partner die sexuelle und die emotionale Ebene nicht trennen können. Zwar gehören Sex und Liebe nicht notwendig zusammen, doch kann eine sexuelle Verbindung auch zu einer emotionalen werden. Es wird also befürchtet, dass der Partner sich in jemand anderes verlieben könnte, wenn er mit diesem Sex hat und die alte Beziehung auflöst.
2. Vermutung: Für viele hat eine Beziehung auch etwas mit dem Besitz eines anderen zu tun. Mein Partner ist MEIN Partner. Er gehört zu mir - er GEHÖRT mir. Niemand anders darf ihn besitzen!
Auch wenn die meisten eine solche Sicht auf eine Beziehung für falsch halten, besitzen dennoch viele Menschen diese Denkstruktur. Dass der Partner Sex mit jemand anderes haben könnte, wird demnach als Gefahr für seine Besitzansprüche verstanden und bekämpft.
3. Vermutung: Einige interpretieren das Fremdgehen als Absage an die eigenen Fähigkeiten. "Er/Sie geht fremd? Dann bin ich im Bett wohl eine Niete... Er/Sie soll nicht fremdgehen, damit ich keinen Grund dazu habe, mich als sexueller Versager zu fühlen!"
Dass der Partner fremdgeht heißt aber nicht notwendig, dass der andere eine Niete im Bett ist. Man denke an die Paare, die in Swingerclubs gehen.
Was haltet ihr von diesen Vermutungen?
Gibt es andere Gründe?
Wie wichtig ist euch sexuelle Treue? Und warum?
Habt oder hattet ihr schonmal eine "offene Beziehung" und wie bewertet ihr diese?
Sollte das Ideal der sex. Treue weiter gestärkt oder besser relativiert werden?