@Padreic:
Bei Tolkien ist sicherlich ein Problem, das nur ein Bruchteil seines Schaffens zu Lebzeiten veröffentlicht wurde.
Inwiefern? Weil dadurch die literarische Endqualität seines Restwerkes durch Fragmentierung und Fremdeditierung litt? Oder eher darauf bezogen, dass er auf die Rezeption keinen kommentierenden Einfluss nehmen konnte? (Viele der nötigen Klarstellungen wurden ja durchaus durch die Briefe vorab vorgenommen.)
Ähnlich deplaziert wie "Animal Farm" erscheint mir noch "Watership Down". Anscheinend wurden sprechende Tiere als ausreichendes Kriterium für Fantasy angesehen... Klassische Fabeln dürften am generell zu erkennenden Vor-Jules-Verne-Veto gescheitert sein.
@Ipsissimus: Ich bin bekanntlich kein wesentlich größerer Freund des Christentums als du, und Tolkiens und erst Recht Lewis' Moral ist nicht die meine. Dennoch spreche ich ihnen das Recht zu, diese in ihren Werken zu präsentieren, und sehe keinen generellen Qualitätsverlust darin. Insbesondere fände ich es unfair, christliche Ideologie auszusperren, andere Richtungen aber zuzulassen. Lewis übertreibt es teils wirklich (ich rate dir, niemals,
niemals "Perelandra" zu lesen
), aber ich finde nicht, dass Tolkien penetranter den Katholizismus propagiert als Orwell den Antistalinismus, Zimmer-Bradley den Feminismus, Clarke oder Pratchett den Humanismus.
Lovecraft (der auf der Liste natürlich auch fehlt, Horror wurde wohl auch gezielt ausgeschlossen) und Howard haben ganz andere Traditionen der Fantasy beeinflusst als Tolkien, der stand eher auf den Schultern von MacDonald und Eddison.
wie z.B. beim Bistromatic-Antrieb, auf der Grundlage reziprovers-exklusiver Zahlen?^^ ich will gerne glauben, dass der Hitchhiker Future Fiction ist, aber Science Fiction?
Bei dem Antrieb weniger, aber der Babelfish und der Guide selbst werden beispielsweise durchaus auf einem Niveau diskutiert, das ernsterer SF würdig wäre. Als Hard SF würde ich DNA sicher nicht etikettieren wollen, aber mehr ins Detail gehen viele Klassiker bei ihrer Technologiebeschreibung auch nicht. Es geht ja meist weniger darum,
wie eine Technologie etwas macht, sondern
was sie macht und was daraus
folgt.
Und auch hinsichtlich der genannten Dystopien würde ich eher auf Future Fiction tippen. Wenn man die allerdings aufnimmt, muss ich wieder das Fehlen bedeutender Werke reklamieren, z.B. "Geschützte Männer" und "Malevil" von R. Merle oder "Der Report der Magd" und "Oryx und Crake" von M. Atwood, wobei vor allem das erstere und das letztere deutlich mehr "Science" enthalten als die anderen Dystopien zusammen
"Science" mag im Englischen seine unglückselige Einschränkung auf Naturwissenschaften haben, dennoch gibt es genügend Werke, denen niemand den SF-Status absprechen würde, die primär soziale Entwicklungne behandeln. Die Psychohistorik aus Asimovs Foundation ist doch als zentrales Element wohl deutlich näher an Orwells Ingsoc als an einem neuen Raumantrieb oder Teleporter. Dune wäre auch als Grenzfall zu nennen, da geht es auch mehr um die Ideologien. Und Soma aus Brave New World fällt genaugenommen sogar unter die Sciences.
Merle erscheint mir nach deinen Wblig-Einträgen als ein wichtiger Aufnahmekandidat, ja. (Und steht auf meiner erweiterten Lektüreliste...) Aber "Der Report der Magd" von M. Atwood? Wie wäre es denn mit Platz 22, "The Handmaid's Tale" by Margaret Atwood?
Vergessen vom vorherigen Beitrag:
ob die beiden erwähnten Pratchett-Bände wirklich den Gipfel seines Schaffens markieren, darf auch bezweifelt werden
"Small Gods" halte ich für den besten Einzelband der Scheibenwelt-Reihe, oder zumindest für den, der am besten rausgelöst betrachtet werden kann. "Going Postal" halte ich auch eher für einen Fehlgriff. Ein "The Discworld Series" wäre auf jeden Fall sinnvoller gewesen. Ach ja, ich mag Gaiman ja sehr, aber 4 Werke von ihm? Offensichtlicher Internet-Abstimmungs-Bias.
@Jan:
Ich denke, der Focus liegt eben auf den politischen Entwicklungen, die technischen Gegebenheiten sind eben Ausdruck der Zukünftigkeit, reine Hilfsmittel der beschriebenen Machtapparate, vor denen zu warnen das eigentliche Anliegen der Autoren ist.
Zusätzlich zu meinen obigen Einwänden an Ipsissimus könnte man zumindest bei 1984 noch anmerken, dass die historische Entwicklung den Fokus verschoben hat: die Warnung vor dem Stalinismus ist längst überholt, die vor der technischen Dauerüberwachung hält das Buch aktuell.
So gesehen, könnten diese Dystopien gut mit Animal Farm eine Gruppe bilden, in der eben die Botschaft durch die Tiere verschlüsselt ist.
"Animal Farm" ist eine pure Allegorie, 1984, BNW und Fahrenheit dagegen beschreiben neben ihrem Warncharakter auch in sich geschlossene und hochinteressante Welten.