Stimmt schon, bei Ganymed ist die Wahrnehmung da anders, unter den Schönlingen wären außerdem Narziß und vielleicht auch Hyazinth zu nennen; literarische Vermittlung hier aber jedenfalls nicht unbeteiligt an der Durchsetzung der apokopierten Form. -us einzeln kenne ich nicht. Du hast recht damit, daß es sich bei -eus nicht um einen Diphthong handelt, das ist nur deutsche Aussprachegewohnheit. Das Ypsilon ist übrigens kein U, was immer deutlich wird, wenn es allein steht (siehe Odysseus), für /u/ schreibt Altgriechisch wie Neugriechisch omikron ypsilon (z.B. Μοῦσα -> Muse). Die neugriechische Aussprache des Ypsilon ist übrigens /i/, was ganz prima ist, weil die ngr. Aussprache des Eta ebenfalls /i/ ist, was dazu führt, daß man drei i-Schreibweisen zur Auswahl hat (vier, wenn man ει, ebenfalls ngr. /i/, mitzählt). Man könnte von gedankenloser Verschwendung der Reichtümer der Vergangenheit, ja sogar von Korruption sprechen, aber das gehört wohl nicht hierher. 1 ist meines Erachtens in der Sache richtig, daran dachte ich auch, aber ob das der maßgebliche Grund ist, weiß ich nicht. Die Rezeption griechischer Texte in D lief sehr schleppend an, bis weit ins 18. Jahrhundert ging es etwa im schulischen Griechischunterricht ausschließlich um das Verstehen des Neuen Testaments (habe mich neulich mit alten Lehrplänen befaßt). Die allgemeine Homerkenntnis vor Voss ist ziemlich gering, die Gebildeten wissen meist, was drinsteht, ohne ihn gelesen zu haben. Deutsche Nachdichtungen gab es seit dem Mittelalter, dafür ist aber dann auch die lateinische Vermittlung wichtig. MIt deutscher Orthographie hat das aber meines Erachtens nicht so viel zu tun, weil die deutsche Transkription der griechischen Namen sich nicht so sehr geändert hat (abgesehen von den wilden Verballhornungen in mittelalterlicher Epik, versteht sich, die offensichtlich nur nach dem Gehör erfolgten). So gesehen waren dann die Übersetzer maßgeblich, ja; inklusive der Verkürzungstendenzen, die bei literarischen Namen meines Erachtens stärker auftreten als bei Philosophen - was für eine rein metrische Begründung spräche. Ah, da fällt mir noch eine Verkürzung ein: Von Dionysios zu Dionys, dem Tyrannen Schlich. Mykenisch hatte auch statt -os noch -o, z.B. Knossos ko-no-so, also genauso urverwandt.
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