Zitat von Ipsissimus:interessant, dass dieses Thema schon früher die Gemüter erhitzt hat^^
Mindestens seit den alten Griechen.
Aber matrixintern sind da einige weniger alte Threads deutlich ergiebiger, u.a.
der,
der und
der. (Den meinem Gefühl nach "klassischsten" Freiheits-Thread habe ich noch nicht wiedergefunden.)
Zitat von Ipsissimus:wobei ich immer noch nicht nachvollziehen kann, wie ein logisch denkender Mensch auf der Vereinbarkeit von Determinismus und persönlicher Schuld beharren kann.
Beides sind Konzepte mit deutlich verschiedenem Bezug: Die Frage nach Determinismus oder nicht, Willensfreiheit oder nicht ist eine über die Verfasstheit der Welt an sich. Es geht darum, die Begriffe so zu definieren, dass sie
zutreffen. Schuld dagegen ist ein soziales Konstrukt, es geht nur darum, sie so zu definieren, dass sie
nützlich ist.
Zitat von Ipsissimus:Determinismus behauptet, dass jede einzelne Entscheidung alternativlos ist, wir also keinerlei Wahl haben
Diesen Begriffskomplex muss man auf jeden Fall detaillierter aufdröseln, als ich das mit 15 gewillt oder (peinlicherweise auch nur vokabulartechnisch) in der Lage war. In langen Diskussionen mit Maurice und e-noon (u.a. der oben verlinkten, aber es muss noch mindestens eine frühere gegeben haben) hat sich ja die Trennung von starker Willensfreiheit und "Handlungsfreiheit" herauskristallisiert; außerdem muss man zwischen starkem und schwachem Determinismus, aka Mechanismus vs. Kausalismus, aka beidseitige Kausalkettenverfolgbarkeit vs. nur rückwärtsgewandte, aka kein Zufall vs. Zufall, unterscheiden.
Zitat von Ipsissimus:und Schuld ist die Folge falscher Wahl.
Definiere "falsch". Für einen Theisten oder anderen moralischen Absolutisten ist das einfach; für Utilitaristen oder sonstige Konstruktivisten ein komplexes Feld. In einem kausalistischen oder gar deterministischen Weltbild können Schuld und "Falschheit" nicht als "dem gottgewollten/richtigen/vorherbestimmten Verlauf entgegen" definiert werden, sondern nur als "einem gegebenen Nutzenkalkül nach nicht die beste Möglichkeit". Die spannenden Fragen sind dann, ob man nur die beschränkte Perspektive des Individuums für seine Schuldbemessung gelten lässt, oder ihm auch Schuld an Dingen, die er nicht überblicken konnte, zuschreibt, und ob man in einer Situation, die nur schlechte Optionen zulässt, immer noch absolute Schuld verhängt, oder die beste schlechte Option als schuldfrei zulässt. An keiner Stelle aber erfordert ein derartiger Schuldbegriff starke Willensfreiheit; schwache nur je nach Beantwortung der Detailfragen in unterschiedlichem Grade.
Zitat von Ipsissimus:Wie geht das zusammen?
Logisch kombinierbar sind wie ausgeführt fast alle Varianten dieser zwei Konzepte. Meine Meinung von 2001 kann ich leider selbst nicht mehr 100%ig rekonstruieren - in den ersten Beiträgen scheine ich noch starke Willensfreiheit zu vertreten, in den späteren dann nur noch schwache. Irgendwann in dieser Zeit habe ich meine Meinung auch tatsächlich derart geändert, da mir erstere immer unplausibler erschien (vor allem durch das "frei
wovon eigentlich?"-Argument), also kann das vielleicht sogar genau während dieses Threads gewesen sein...
Heute vertrete ich ein kausalistisches, aber nicht deterministisches Weltbild und einen sehr stark konstruierten Schuldbegriff, von dem ich aber weiß, dass er schwer kommunizierbar ist und die übliche Bedeutung des Wortes arg dehnt; da ich Verantwortung aber gleichzeitig als eng damit verbundenen, aber klar unabgängigen Begriff nutze und kein weiteres geeignetes Halb-Synonym kenne, muss ich bisher bei "Schuld" bleiben.