Wie Guerilla-Jan ja schon nahelegte, brauchen wir wohl auch diesen Thread.
Im Gegensatz zu Russland und Katar sehe ich die Vergabe nach Brasilien als inhaltlich untadelig an (formell, wer weiß, im Zweifel wird immer bestochen), das Land hat fußballromantisch gesehen genug Tradition, politisch keinen Paria-Status und wirtschaftlich eigentlich genau den Status, der Ausrichtung sowohl gewachsen zu sein als auch von ihr zu profitieren.
Die Umsetzung hat dann aber wirtschaftlich offensichtlich nicht so funktioniert, wie man es sich erhoffte. Von den Baumilliarden soll wohl nicht genug an die Unternehmen und Arbeitnehmer vor Ort geflossen. Braucht es eine Nationalquote in der Ausschreibung? Aber in Europa wäre das nicht haltbar.
In sachen politisch-soziale Situation hat die WM als Bühne durchaus ihre Vorteile, zumindest im Vorfeld hatten brasilianische Demonstranten, von Gewerkschaftlern bis Indios, mehr weltweite Aufmerksamkeit, als sie sich sonst erhoffen könnten. Sicher wird sie nicht direkt zu irgendwelchen Veränderungen beitragen, aber das zu erwarten wäre auch naiv. Ist es nicht schon genug, wenn eine Sportveranstaltung nicht zur klassischen Herrschendenbeweihräucherung beiträgt, sondern genau gegenteilig wahrgenommen wird? Und das trotz Versuchen der offiziellen Darstellung, die Proteste auszublenden?
Zudem sehe ich eine gewisse Arroganz darin, zu sehr über die "brasilianischen Zustände" zu meckern - sind die wirklich so viel schlimmer als in Europa? Der Umgang mit den Indios ist natürlich ein spezielles Problem dort, aber die sonstige politische und soziale Situation sehe ich inzwischen als näher an (niedrigsten) europäischen Standards als an klassischer Dritter Welt. Es wäre sehr viel zu verbessern, aber ihre Probleme ähneln durchaus unseren, und man sollte wohl eher gemeinsam nach Lösungen suchen, anstatt zu glauben, dass sie nur unserem Weg nacheifern müssen.