Physik-Nobelpreis 2017: Gravitationswellen

Von der Genetik bis zur Quantenphysik, von der Atomkraft bis zur Künstlichen Intelligenz. Das weite Feld der modernen Naturwissenschaften und ihrer faszinierenden Entdeckungen und Anwendungen.
Traitor
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Mi 4. Okt 2017, 10:14 - Beitrag #1

Physik-Nobelpreis 2017: Gravitationswellen

Diesmal wirklich: Rai Weiss (MIT, 50%), Kip Thorne (Caltech, 25%) und Barry Barish (Caltech, 25%) für die Ideen zu, Initialzündung für und Leitung von LIGO. (Preisseite)

Glückwunsch an die Drei, auch wenn es sowohl schade ist, dass es weiterhin bei der Dreier-Regel bleibt, als auch, dass der dieses Frühjahr verstorbene Schotte, und neben Weiss entscheidende Triebkraft von der experimentellen Seite, Ron Drever nicht mehr dabei war.

Und eine kleine Klarstellung am Rande: nein, Spiegel Online hatte letzte Woche nicht Recht, dass GW170814 nur deshalb schnell bekannt gemacht wurde, um die Nobelchancen zu erhöhen. ;) Erstens steht die Preisvergabe intern bestimmt schon viel länger als eine Woche fest; zweitens war nach der 5-Monats-Verzögerung von GW170104 klar, dass es nächstes Mal schneller gehen soll; und drittens gibt es noch reichlich weitere spannende Daten aus den letzten Monaten, die ihrer Endauswertung und Veröffentlichung harren, und das kann und darf sich nicht alles aufstauen.

Ipsissimus
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Do 5. Okt 2017, 18:19 - Beitrag #2

auch wenn ich nach wie vor nicht glaube, dass LIGO die Existenz von Gravitationswellen bewiesen hat^^ vielleicht werden LISA und LISA Pathfinder dazu imstande sein, aber das dauert noch ein paar Jährchen. Ich halte es schlicht für eine aus Wunschdenken enstandene selbsterfüllende Prophezeiung, dass man alle irdischen und sonstigen Störsignale so definitv ausfiltern könne, dass als einzige theoretisch überhaupt denkbare Möglichkeit die Kräuselung einer Raumwelle von weniger als einem Atomdurchmesser infolge des Einflusses eines Schwarzen Loches in über 1 Milliarde LJ Entfernung übrigbleibt^^

aber da die physikalische Community sicher besseres zu tun hat, als meinen Skeptizismus zu ertragen: herzlichen Glückwunsch an die drei Preisträger und ihre fleißigen Bienen, deren Anteil an derartigen Erfolgen im Allgemeinen nicht annähernd ausreichend gewürdigt wird^^ der Pharao baute die Pyramiden^^

Traitor
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Do 5. Okt 2017, 22:40 - Beitrag #3

Es ist halt nicht nur eine einzige spontane Kräuselung, sondern ein "lang" anhaltendes Muster - bei den bisherigen Ereignissen zwar jeweils nur Sekunden bzw. meistens -bruchteile, aber immerhin schon jeweils einige bis dutzende Wellenzyklen:
Bild1

Und dazu haben selbst die skeptischsten Teile der Community keine Alternativhypothese auftun können.
Virgo ist zudem prinzipiell in der Lage, einen unabhängigen Nachweis zu erbringen - messtechnisch zumindest, verschwörungstheoretisch stecken wir natürlich zusammen unter einer Decke. Für GW170814 war der Virgo-Beitrag zum Gesamtmessergebnis bereits äußerst hilfreich, für sich allein genommen ist es mit statistischer Signifikanz aber nicht sehr weit her:
Bild2
Dass diese kleine Spitze mit den großen in den LIGOs zusammenhängt, ist aufgrund des zeitlichen Zusammentreffens auch schon sehr wahrscheinlich; aber es möchten natürlich alle gerne sehen, dass in 1-2 Jahren mit weiter verbesserter Virgo-Messtechnik eine wirklich allein verteidigbare Parallelmessung möglich wird.
Alternativ kann man auf mindestens einen Neutronenstern statt zwei schwarzen Löchern und gleichzeitige elektromagnetische oder Neutrino-Beobachtungen für wirklich unabhängigen Abgleich hoffen.

Ipsissimus
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Fr 6. Okt 2017, 10:02 - Beitrag #4

Signale wie die auf den beiden Bildern sehe ich hier im Institut jeden Tag, produziert von Ultraschallempfängern, Mikrowellenempfängern, Seismometern u.v.m., Laufzeiten und Laufzeitverschiebungen sind halt unser täglich Brot^^ und ich kenne auch die Korrelationstricks, mit denen eine Kausalität suggeriert wird, die im übrigen unerkannt bleiben möchte - ist der Ausreißerimpuls da überhaupt relevant?^^ geht ja meist auch in 99,99998% aller Fälle gut^^ auch wenn man damit nicht unbedingt Existenzfragen beantworten möchte

ich warte auf den Neutronenstern und/oder LISA Pathfinder^^

Traitor
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Fr 6. Okt 2017, 23:44 - Beitrag #5

Der eine Trick ist, dass parallel >1000 Ultraschallempfängern, Mikrowellenempfängern, Seismometern u.v.m. mitlaufen und jeweils zum Zeitpunkt der Signale nichts entsprechendes aufgezeichnet haben. Der nächste, dass beim in zig Kombinationen zeitversetzten Vergleich der beiden Detektoren selbst auch nie etwas vergleichbar "lautes" herauskommt.

LISA Pathfinder ist fertig und abgeschaltet, hat perfekt funktioniert. Kann aber konstruktionsbedingt keine GW detektieren, ist eben nur ein kleiner Pfadfinder. Auf LISA selbst musst du noch 10-15 Jahre warten.

Ipsissimus
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Sa 7. Okt 2017, 22:09 - Beitrag #6

trotzdem^^ ihr filtert aus einem quasi-Rauschen ein Signal heraus, von dem ihr schon von vornherein wisst, wie es aussehen muss, und das bei einer Signalstärke, die das Ganze fast zur Beliebigkeit geraten lässt. Ich wette, mit etwas geänderten Algorithmen könntet ihr beliebig viele dieser Signale gewinnen, im Rauschen steckt alles drin.

Traitor
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Mi 11. Okt 2017, 23:57 - Beitrag #7

Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich mich auf eine statistische und wissenschaftstheoretische Abhandlung einlassen, warum "ein Signal, von dem ihr schon von vornherein wisst, wie es aussehen muss" gerade die Beliebigkeit beseitigt und dabei hilft, nicht "alles" zu finden, und trotzdem bei korrekter Anwendung auch nichtmal erhöhte Gefahr von "confirmation bias" mitbringt; und nebenbei auch noch Alternativanalysen ohne diesen "Trick" konsistente Ergebnisse liefern.

Statt dieser Details werde ich aber einfach mal nur diesen Link

https://www.nsf.gov/news/news_summ.jsp?cntn_id=243379

einwerfen; und die Anmerkung, dass ich bis Montag nicht mehr zu sagen habe. ;)

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Fr 13. Okt 2017, 14:57 - Beitrag #8

Wie schließt ihr beispielsweise folgendes Szenario aus: Das gemessene Signal stammt gar nicht aus einer Quelle, sondern aus zwei oder mehreren, die einzelnen Elemente sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden und haben somit unterschiedliche Laufzeiten auf dem Buckel, aber sie treffen zufällig gleichzeitig am Messort ein und wirken wie ein Signal?

Es ist ja nicht so, dass da draußen absolute Stille herrschte und plöltzlich gibt es ein Signal, welches so deutlich ist, dass ihr gar nicht erst danach suchen müsst, und danach ist auch nicht wiederum absolute Stille, aus der ebenso urplötzlich das zweite Signal auftaucht, und wiederum Stille und plötzlich das dritte Signal usw. Nein, ihr nehmt ein Rauschen auf und in dem Rauschen sucht ihr Formen. In dem Rauschen sind aber alle möglichen Amplituden und Wellenlängen/Frequenzen vereint. Ihr nehmt die, die ihr sucht und nennt das "ein Signal".

Und dann, da passiert also was mit einem Schwarzes Loch und dieses schickt daraufhin eine Gravitationswelle aus. Eine Gravitationswelle? Und Monate später die Zweite? Man sollte doch meinen, dass so ein Ereignis am laufenden Band und über lange Zeiträume hinweg Gravitationswellen erzeugt. Ihr müsstet also eigentlich in derartigen Signalen schwimmen. LIGO müsste eigentlich brummen. Wo sind die Signale?

Traitor
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Mi 15. Nov 2017, 23:43 - Beitrag #9

So, mit einer für das Matrix-Jahr 2017 mit "nur" einem Monat geradezu kurzen Antwortverspätung:

Zitat von Traitor:Statt dieser Details werde ich aber einfach mal nur diesen Link

https://www.nsf.gov/news/news_summ.jsp?cntn_id=243379

einwerfen; und die Anmerkung, dass ich bis Montag nicht mehr zu sagen habe. ;)

GW170817/GRB170817A/"die Kilonova"/"die Goldmine" ist in der Öffentlichkeit leider nicht ganz so sehr eingeschlagen wie im weiteren Fachpublikum (dort sogar mehr als alle Vorgänger, inklusive GW150914). Besteht Interesse an einem Extra-Thread?


@Ipsissimus: Ah, interessant, ich schien deinen Skeptizismus zuvor ganz falsch interpretiert zu haben, nämlich als Befürchtung irdischer Störeinflüsse.

Das zufällige Zusammentreffen zweier unabhängiger echter, extraterrestrischer ("astrophysikalischer") GWen ist aber noch deutlich unrealistischer/unwahrscheinlicher als eine übersehene lokale Störung. Tatsächlich erwarten wir ein dauerhaftes Hintergrundrauschen aus der Überlagerung vieler schwacher Signale, und suchen auch (mit anderen Analysemethoden als für starke Einzelereignisse) nach diesem "Stochastischen Hintergrund". Da die Ereignisse an sich aber pro Volumen so selten sind, das beobachtbare Volumen damit erst in größten Entfernungen groß genug für sich überlagende Mehrfachsignale wird, aufgrund dieser Entfernung die Signale aber dann schon so schwach sind, dass auch die Überlagerung schwach bleibt; und zudem die Signalform im Durchschnitt vermatscht wird, also keine so präzise Analyse mehr möglich ist; wurden eben erst einzelne starke "Vordergrund"-Ereignisse detektiert. Figure 3 hier zeigt eine vereinfachte Simulation (ohne Detektorrauschen) überlagerter Schwarzloch- und Neutronen-Signale. Hier noch die Audioversion. (Auch idealisiert ohne Detektorrauschen, selbst das starke Signal in der Mitte könnte man mit aktueller Empfindlichkeit nicht einzeln herausfiltern.)

Und selbst wenn dieser Hintergrund stärker wäre, ist mir nicht klar, wieso du anzunehmen scheinst, zwei getrennte Ereignisse würden nur jeweils einen Detektor ansprechen lassen? Oder lese ich das in dein Szenario falsch hinein?

Und dann, da passiert also was mit einem Schwarzes Loch und dieses schickt daraufhin eine Gravitationswelle aus. Eine Gravitationswelle? Und Monate später die Zweite? Man sollte doch meinen, dass so ein Ereignis am laufenden Band und über lange Zeiträume hinweg Gravitationswellen erzeugt. Ihr müsstet also eigentlich in derartigen Signalen schwimmen. LIGO müsste eigentlich brummen. Wo sind die Signale?
Von einem einzelnen Schwarzen Loch erwarten wir gar nichts; von einem Paar nur einmal ein starkes Signal. Vorher gibt es schon Jahrmillionenlang ein schwaches Signal ab, das im Laufe der Zeit immer stärker wird. Erst ganz am Ende können wir es dann messen - mit einem besser gegen seismische Störungen isolierten Detektor, wie derzeit in Planung ("Einstein Telescope"), ginge das dann aber übrigens auch schon einige Sekunden oder Minuten länger, für Binär-Neutronensterne (GW170817: 1-2 Minuten mit LIGO) sogar Stunden oder Tage. Auch den Stochastischen Hintergrund kann man dann deutlich besser aufintegrieren.

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Do 16. Nov 2017, 17:17 - Beitrag #10

Das zufällige Zusammentreffen zweier unabhängiger echter, extraterrestrischer ("astrophysikalischer") GWen ist aber noch deutlich unrealistischer/unwahrscheinlicher als eine übersehene lokale Störung.


Das ist wahrscheinlich der Punkt, den ich nicht richtig verstehe. In meiner Vorstellung wimmelt das Universum von gravitationswellenerzeugenden Ereignissen, und deswegen müssten Gravitationswellen im Prinzip ähnlich ubiquitär vorliegen wie Gravitation selbst, oder wie Wärmestrahlung. Und daher wäre es eben auch kein seltenes Einzelereignis, wenn eine Welle, die vor 1 Milliarde Jahren in 1 Milliarde Lichtjahre Entfernung ausgelöst worde ist, zur gleichen Zeit hier ankommt, wie eine Welle, die vor 1 Million Jahren in 1 Millionen Lichtjahre ausgelöst wurde, genau wie alle anderen Myriaden Wellen, die vor x Jahren in x Lichtjahren Entfernung ausgelöst wurden. Die müssten eigentlich alle gleichzeitig eintreffen.

Zitat von Traitor:Von einem einzelnen Schwarzen Loch erwarten wir gar nichts


Wieso nicht? Ein schwarzes Loch ist ein Materiefresser, wenn das Sterne anbaggert, müssten da genauso GW entstehen, wie beim Zusammenprall von zwei SL.

Traitor
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Sa 18. Nov 2017, 12:42 - Beitrag #11

In beiden Punkten hast du im Prinzip Recht, die Effekte sind halt nur so schwach, dass sie irrelevant sind. Eine der wichtigsten Faustregeln der Physik: ist ein Effekt klein, sind sekundäre Effekte, die auf der Kombination dieses Effektes mit sich selbst oder anderen schwachen Einflüssen beruhen, völlig vernachlässigbar.

In meiner Vorstellung wimmelt das Universum von gravitationswellenerzeugenden Ereignissen, und deswegen müssten Gravitationswellen im Prinzip ähnlich ubiquitär vorliegen wie Gravitation selbst, oder wie Wärmestrahlung.
Im Prinzip ja, jede noch so kleine (beschleunigte, asymmetrische) Bewegung von Massen im Universum erzeugt schwache Gravitationswellen, auch mein Tippen dieses Textes. Nur sind die (fast) alle a) extrem schwach und b) über einen riesigen Frequenzbereich verteilt. Nur ganz wenige Ereignisse erzeugen so starke Wellen, und im richtigen Frequenzbereich, dass wir sie messen können.
Und daher wäre es eben auch kein seltenes Einzelereignis, wenn eine Welle, die vor 1 Milliarde Jahren in 1 Milliarde Lichtjahre Entfernung ausgelöst worde ist, zur gleichen Zeit hier ankommt, wie eine Welle, die vor 1 Million Jahren in 1 Millionen Lichtjahre ausgelöst wurde, genau wie alle anderen Myriaden Wellen, die vor x Jahren in x Lichtjahren Entfernung ausgelöst wurden. Die müssten eigentlich alle gleichzeitig eintreffen.
Im Prinzip treffen uns andauernd Unmengen Wellen und deren Überlagerungen. Aber nur wenn zwei davon stark genug sind, beide im richtigen Frequenzbereich liegen und auch noch im Zeit-Frequenz-Verlauf richtig zueinander passen, würde aus der Überlagerung etwas interessantes werden.

Zitat von Ipsissimus:
Zitat von Traitor: Von einem einzelnen Schwarzen Loch erwarten wir gar nichts
Wieso nicht? Ein schwarzes Loch ist ein Materiefresser, wenn das Sterne anbaggert, müssten da genauso GW entstehen, wie beim Zusammenprall von zwei
OK, Sprachproblem, unter "einzeln" verstand ich in typischer Erster Näherung "komplett isoliert". Das gibt es in der Realität tatsächlich nie. Auch wenn schon nur ein bisschen Gas und Staub reinfällt, ergibt das prinzipiell GW, wenn auch völlig vernachlässigbar schwache. Dass ein schwarzes Loch einen Stern frisst, ist deutlich seltener, aber auch schon deutlich relevanter. Paare aus stellare-Masse-Löchern und Sternen sind prinzipiell interessant, für LIGO aber im falschen Frequenzbereich. Kollisionen von Schwarzem Loch und Neutronenstern sind nach Loch-Loch und NS-NS die dritte Quellkategorie (von Kollisionen), auf die wir noch warten. Und "Intermediate/Extreme Mass Ratio Inspirals" von einzelnen Sternen in große Schwarze Löcher sind eines der Hauptziele für den LISA-Weltraumdetektor.

Ipsissimus
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Di 21. Nov 2017, 11:07 - Beitrag #12

ach so, also ist unsere Nachweisempfindlichkeit einfach zu gering^^ das verstehe ich^^ wir bekommen hier sozusagen nur die Wasserstoffbomben mit, nicht den Flügelschlag des Schmetterlings^^

wobei ich offengesagt den Unterschied zwischen Gravitation und Gravitationswellen nicht so richtig verstehe^^ ist da etwas deutlich anderes mit verbunden als beim Licht, bei dem die Welle bekanntlich nur die statistische Verteilung der Teilchen meint? Ansonsten wäre die Messung einer Gravitationswelle doch im Prinzip nichts anderes als ein Beweis für die Existenz von Gravitonen?

Padreic
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Di 5. Dez 2017, 00:33 - Beitrag #13

Ohne wirklich etwas hinzufügen zu können, will ich einfach nur sagen wie beeindruckt ich bin. Als Laie hätte ich erwartet, dass wenn irgendwann Gravitationswellen direkt nachgewiesen werden, das zwar großartig ist, aber eben damit nur Gravitationswellen bewiesen wurden. Im Gegenteil hat damit die Astrophysik auf einmal Riesenschritte gemacht.

@Ipsi: Wenn ich es recht verstehe (und ich bin kein Physiker und Traitor soll mich korrigieren), ist es grob so: Im Rahmen der allgemeinen Relavitätstheorie drückt sich Gravitation durch die Geometrie (und insbesondere die Krümmung) des Raums aus. Genauso wie wenn ich auf der Erde gerade laufe, für einen externen Beobachter einfach einen großen Kreis zurücklege, laufen die Planeten, die um die Sonne kreisen, aus ihrer Sicht gerade. Wenn Gravitation konstant wirkt, bleibt die Geometrie des Raums einfach dieselbe. Gravitationswellen entstehen hingegen, wenn die Geometrie des Raumes sich dadurch verändert wird, dass die Masseverteilung sich ändert. Warum das in Wellenform verläuft, ist mir persönlich unklar; meinem Verständnis nach ist "Welle" aber auch nur eine anschauliche Näherung für ein deutlich komplizierteres Phänomen.

Traitor
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Di 5. Dez 2017, 23:15 - Beitrag #14

Zitat von Ipsissimus:wir bekommen hier sozusagen nur die Wasserstoffbomben mit, nicht den Flügelschlag des Schmetterlings^^
Etwas martialischer, als es unsere PR-Abteilung akzeptieren würde, aber treffend. ;)

Zitat von Ipsissimus:wobei ich offengesagt den Unterschied zwischen Gravitation und Gravitationswellen nicht so richtig verstehe^^ ist da etwas deutlich anderes mit verbunden als beim Licht, bei dem die Welle bekanntlich nur die statistische Verteilung der Teilchen meint? Ansonsten wäre die Messung einer Gravitationswelle doch im Prinzip nichts anderes als ein Beweis für die Existenz von Gravitonen?
Prinzipiell erwarten wir, dass auch Gravitation bzw. Gravitationswellen nur eine gemittelte makroskopische Beschreibung des Austausches von Gravitonen bzw. deren räumlichen Ausbreitungen sind. Der praktische Unterschied zum Elektromagnetismus (und damit Licht) ist, dass die Gravitation so viel schwächer ist, und dadurch auch die Quantelung viel schwerer nachweisbar. Und der theoretische, dass es immer noch niemand geschafft hat, das auch nur im Prinzip sauber auszurechnen. (Meine eigenen Ambitionen in der Richtung haben es nie auch nur verdient, "Ambitionen" genannt zu werden. ;))
Der Unterschied zwischen Gravitation und Gravitationswellen ist im Prinzip ähnlich wie der zwischen zwei sich anziehenden Magneten und einem Lichtstrahl. "Wechselwirkung" gegen "Propagation". Klassisch betrachtet, ist bei der Wechselwirkung alle Energie durch die beiden wechselwirkenden Objekten und ihren Abstand zueinander gegeben, während bei den Wellen Energie unterwegs ist. (Und auch selbst gravitativ wirken kann.) Auf Quantenebene ist es der Unterschied zwischen virtuellem Wechselwirkungsteilchenaustausch und realen propagierenden Teilchen.
Ganz von der Quantenfrage abgesehen gibt es bei solchen Erklärungen aber noch einige Gemeinheiten im Detail, insbesondere das garstige alte Problem der Koordinatenabhängigkeit. Tragen die Gravitationswellen wirklich Energie mit sich von der Quelle weg, oder verschwindet der Effekt bei "korrekter" Wahl des Koordinatensystems wieder? Padreics geometrische Erklärung beantwortet das im Prinzip mit "ja", aber es hat Jahrzehnte gedauert, bis das im Detail geklärt war. (Hauptsächlich 40er-60er, nachdem Einstein sich vorher immer wieder umentschieden hat; Bondi, Pirani und Isaacson sind da so die wichtigsten Namen, Feynman hatte natürlich auch mal wieder seine Finger drin.)

Zitat von Padreic:Warum das in Wellenform verläuft, ist mir persönlich unklar; meinem Verständnis nach ist "Welle" aber auch nur eine anschauliche Näherung für ein deutlich komplizierteres Phänomen.
In mathematischer Logik: Die Feldgleichungen sind PDEs zweiter Ordnung, mit den richtigen Randbedingungen wird automatisch eine Wellengleichung draus. In Physikerlogik: Welche Form sollte es sonst sein? ;)


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